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Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33

Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33

Titel: Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delacroix Claire
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landete eine Handvoll Kräuter im Feuer. Sophie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, als sei alles ringsum auf einmal nicht mehr so, wie es nach außen hin schien. Selbst die alltäglichsten Dinge bewegten sich. Vor Sophies Augen verwandelten sich die Tischbeine in Löwentatzen; der dreibeinige Schemel schob sich von ganz allein näher ans Feuer, ja, die Wände selbst wölbten sich und umgaben das Innere der Hütte wie ein riesiger Mutterleib.
    Als sie zu Melusine blickte, bemerkte sie einen übernatürlichen schimmernden Glanz in deren Augen; das lange schwarze Haar fiel ihr lose über die Schultern und schlängelte sich über den Rücken, als sei es ein lebendiges Wesen. Doch so merkwürdig dies auch wirkte, war Sophie davon keineswegs abgestoßen. Vielleicht brachte sie auch die Kraft nicht auf zu einer solchen Reaktion. Sie saß nur da und schaute dem Reigen wie gebannt zu.
    „In jener Nacht liebten sie sich auf dem Waldboden“, fuhr Melusine leise fort. „Viel zu rasch dämmerte für die beiden der Morgen. Der Edelmann schlummerte ein, und als er erwachte, spürte er schon die Mittagssonne auf dem Baldachin der Baumkronen. Seine Liebste aber war nirgends zu sehen. Wenngleich er den ganzen Tag nach ihr suchte, fand er bei Sonnenuntergang nicht sie, sondern den Waldesrain unweit des elterlichen Schlosses. Voller Bedauern kehrte er dem Wald den Rücken zu und ritt nach Hause, wo man ihn mit großer Freude begrüßte. Und noch am selben Abend drehte sich jener erlegte Hirsch am Bratenspieß.“ Melusine verstummte.
    Sophie war verdutzt. „Ist das etwa alles?“, fragte sie stirnrunzelnd, worauf die Frau ihr einen scharfen Blick zuwarf.
    „Aber nein“, entgegnete sie. „Jetzt fängt die Geschichte erst richtig an.“ Sie nahm noch einen Schluck Wasser und leckte sich die Lippen, ehe sie weitererzählte. „Zwei Monde waren gekommen und wieder vergangen, als am Tor des elterlichen Schlosses unseres jungen Edelmanns eine Fremde anklopfte. Der Vater unseres Helden war inzwischen verstorben, und nun gebot sein junger Sohn als Lehnsherr über das Gut und seine Ländereien. Schwer ruhte die Last der Verantwortung auf seinen jungen Schultern.
    Es war die Frau aus dem Wald, die da vor ihm stand. Geraume Zeit sah es so aus, als wolle der schöne junge Herr ihre Geschichte nicht glauben. Auf sein Zögern hin fuhr sie sich mit der Hand über den sanft gerundeten Bauch. Er begriff ihre Geste sofort, zumindest nach Aussage aller, welche zugegen waren, denn unverzüglich lud er die Fremde ein und verkündete allen Anwesenden, sie sei seine Braut, und wenn das Kindlein geboren sei, dann werde es sein Nachkomme werden.
    Ihr Name sei Melusine, erklärte die Frau. Woher sie stammte, das sagte sie nicht. Die Leute im Schloss des Edelmannes glaubten, sie sei wohl nicht von edlem Blut und schäme sich daher, ihre Herkunft vor ihrem Bräutigam zu offenbaren. Nach eigenem Bekunden hauste sie schon seit Jahren im Wald.
    Dass er von ihr betört war, ließ sich nicht übersehen, doch alle in seiner Umgebung trösteten sich mit dem Gedanken an die starke Liebe, die zwischen den beiden entbrannt war. Nachdem zwei unterschiedliche Weissagerinnen erklärt hatten, das Kind sei von ihm gezeugt, fügten sich die Leute auf seinem Anwesen allmählich in seine Brautwahl. Er war ja immerhin Herr eines eigenen Gutes und außerdem ein bildschöner Jüngling, der alle verzauberte, die ihm begegneten. Warum also sollte er nicht seinen Willen haben?
    Am Abend der Hochzeitsfeier kam er zu seiner Braut und ließ in Erinnerung an jene erste Liebesnacht ein Bad für sie bereiten. Zu seinem Entsetzen und seiner Bestürzung verbot sie ihm aber, in ihren Gemächern zu bleiben. Nie wieder, so ihr Gebot, dürfe er sie beim Bad sehen. Das sei ihre einzige Bitte an ihren Gemahl.
    Der Edelmann war nicht erfreut angesichts dieser Bedingung, pflegte er doch die angenehmsten Erinnerungen an die erste gemeinsame Nacht und entsann sich noch voller Lust an Melusines schlanken, nackten Leib. Sie aber ließ sich nicht erweichen. Und da er keine Ruhe gab, verkündete sie ihm, sie werde ihn sofort verlassen, sollte er jemals wagen, sie heimlich zu betrachten. Widerstrebend willigte er ein, war er doch überzeugt, sie werde mitsamt seinem Erben verschwinden, wenngleich er sie doch gerade erst zu der Seinen gemacht hatte.
    Mit der Zeit kam es dem jungen Edelmann so vor, als werde seine Melusine mit jedem Tage, an welchem sie sein Kind unter dem Herzen trug, um das

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