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Ruf der Wildnis

Ruf der Wildnis

Titel: Ruf der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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Ufer lag. Er war halb erstickt, taumelte auf und fiel sofort wieder nieder. Pete und Hans rieben und drückten seinen mächtigen Brustkorb, aber Buck hatte keine Kraft mehr. Doch ein schwacher Hilferuf seines Herrn wirkte auf das Tier wie ein elektrischer Schlag. Buck sprang auf und hetzte am Ufer entlang zu jener Stelle, wo er das erstemal Thorntons Rettung versucht hatte.
    Wieder wurde das Seil um seinen Nacken gebunden, und wieder warf er sich in den Strom. Er hatte einmal die Entfernung schlecht berechnet, das zweite Mal machte er sich dessen nicht mehr schuldig. Pete hielt das Tau fest, und Hans rollte es auf. Buck schwamm genau auf seinen Herrn zu, Thornton sah ihn kommen, und als der Hund knapp neben ihm war, warf er beide Arme um den zottigen Nacken. Die Männer am Ufer zogen das Seil straff an, und Buck und Thornton wurden unter Wasser gerissen; halb erstickt, zerschlagen und zerschunden von den spitzen Felsriffen rollten sie ans Land.
    Pete und Hans bearbeiteten Thornton, und als er wieder bei Bewußtsein war, galt sein erster Blick Buck. Nig stand neben dem schlaffen, wie leblosen Körper und heulte. Skeet leckte die triefendnasse Schnauze und die geschlossenen Augen. Thornton, der selbst am ganzen Körper zerschlagen war, beugte sich über Buck. Der Hund hatte drei Rippen gebrochen.
    »Wir müssen hier bleiben«, entschied Thornton.
    Und so geschah es. Sie lagerten an Ort und Stelle so lange, bis der Hund wieder vollständig hergestellt war.
    Im Winter, als sie wieder in Dawson waren, vollbrachte Buck eine neue Heldentat, nicht so heroisch wie die Rettung aus dem Fluß, aber sie machte seinen Namen in ganz Alaska berühmt.
    Thornton und seine Partner hatten schon lange vor, in den noch unberührten Osten zu ziehen, wo noch nicht jedes Fleckchen von Goldgräbern durchwühlt worden war, aber es fehlte ihnen an den nötigen Mitteln.
    Eines Tages kam im Eldorado-Saloon die Rede auf Hunde. Jeder der Männer pries die Vorzüge seiner eigenen Hunde. Immer wieder wurde Buck, um den man Thornton beneidete, zum Vergleich herangezogen, und jeder wollte seinen eigenen Hund herausstreichen und Bucks Leistungen herabmindern. Einer der Männer behauptete, sein Hund könne eine Ladung von fünfhundert Pfund auf dem Schlitten ziehen, ein anderer übertrumpfte ihn um hundert Pfund, während ein dritter seinem Tier sogar siebenhundert Pfund zutraute.
    »Was wollt ihr«, sagte Thornton wegwerfend, »Buck kann tausend ziehen.«
    »Er kann allein starten und tausend Pfund hundert Yards weit ziehen?« forschte Matthewson, ein Bonanzakönig.
    »Jawohl, starten und hundert Yards ziehen«, antwortete John Thornton unüberlegt.
    »Well!« sagte Matthewson so langsam und bedächtig, daß es alle hören konnten. »Ich wette tausend Dollar, daß er es nicht kann. Da liegen sie.« Und großspurig warf er einen Sack mit Goldstaub auf den Schanktisch.
    Niemand sprach ein Wort.
    Thornton war herausgefordert worden, und er fühlte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. Seine Zunge war mit ihm durchgegangen, denn er wußte ja gar nicht, ob Buck tatsächlich tausend Pfund ziehen konnte. Eine halbe Tonne! Dieses gewaltige Gewicht erschreckte ihn. Er kannte die Kraft seines Hundes und traute ihm diese Leistung zu, aber niemals hatte er daran gedacht, ihn eine solche Last auch wirklich ziehen zu lassen. Thornton besaß keine tausend Dollar, ebensowenig seine Gefährten. Die Augen von einem Dutzend Männer waren auf ihn gerichtet, schweigend und gespannt, und zwangen ihn zu einer Entscheidung.
    »Ich habe einen Schlitten mit zwanzig Mehlsäcken draußen stehen. Jeder wiegt fünfzig Pfund. Wir können sofort anfangen!« sagte Matthewson mit brutaler Offenheit.
    Thornton gab keine Antwort. Er wußte nicht, was er sagen sollte. Seine Augen wanderten abwechselnd von einem zum anderen. Da traf sein Blick einen alten Kameraden, Jim O’Brien, einen der erfolgreichsten Männer von Klondike. Und plötzlich war John Thornton fest entschlossen, die Wette anzunehmen.
    »Kannst du mir tausend Dollar leihen?« flüsterte er seinem Freund zu.
    »Gewiß«, antwortete O’Brien und warf einen zweiten großen Sack neben dem ersten nieder, »wenn ich auch nicht glaube, daß dein Hund dieses Kunststück fertigbringt.«
    Die ganze Gesellschaft strömte auf die Straße. Selbst die Spieler verließen ihre Tische, um zuzusehen und Wetten abzuschließen. Mehrere hundert mit Pelzen bekleidete Männer standen im Kreis um den Schlitten. Es herrschte bittere Kälte –

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