Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
Leben. Aus dem Mutterhaus der Ashera.“
Ihm fiel auf, dass besonders Aliya der Schrecken ins Gesicht geschrieben stand.
„Hast du ein Problem damit?“
Hastig schüttelte sie den Kopf.
„Das will ich dir auch raten.“
„Wo sollen wir sie hinbringen?“, fragte Surevi. „Hierher?“
Domeniko holte aus und schlug ihr so fest ins Gesicht, dass sie zu Boden ging. „Natürlich nicht!“, blaffte er. „Dann könnte ich Melissa gleich eine Postkarte mit meiner Adresse schicken.“
Aber die Frage war berechtigt und seine aufbrausende Reaktion rührte daher, dass er nicht wusste, wohin er Melissa locken sollte. Welcher Ort war für eine Falle geeignet? Wo konnte er sich einen Vorteil verschaffen und sie täuschen?
„Bringt sie nach Walsingham.“
„Zur Ruine?“ Pharac begriff offenbar nicht, was Domeniko dort vorhatte.
„Der Ort ist perfekt. Bindet sie an die Bäume neben dem Torbogen. Den Rest überlasst mir.“
„Hast du Franklin gesehen?“
Vicky blickte von ihrem Kuchenteig auf, den sie für das morgige Frühstück vorbereitete – ein Hoch auf altmodische Holzöfen, die ohne Strom auskamen. Sie wischte sich mit dem Handrücken Mehl von der Stirn und schüttelte ob meiner Frage den Kopf.
„Seit heute Nachmittag schon nich mehr. Hat nach der Pumpe des Brunnens schauen wollen. Die is wohl eingefroren. Weiß ja nich, wie das ohne Wasser gehen soll, aber wenn er meint.“
Ich runzelte die Stirn. Eine Brunnenpumpe im Winter reparieren? Noch dazu jetzt? Als ob wir keine anderen Sorgen hätten. Und woher wollte er überhaupt den Strom für deren Betrieb nehmen?
„Er wusste doch, dass Armand und ich heute Abend kommen wollten.“
Vicky hielt im Kneten inne. „Na, er kann ja jetzt nich mehr draußen sein. Vielleicht is er unter der Dusche. War ja bestimmt frisch da draußen.“
Ein Hoch auf den großen Ofen, der es immerhin schaffte, auch unter diesen Umständen noch für warmes Wasser zu sorgen. Der schiere Luxus.
Auf dem Weg zu Franklins Privaträumen kam mir Armand entgegen, der mit Ash über die Sternen- und Totenwölfe reden wollte. Da Ash unser Experte für Dämonologie war, hofften wir, dass er in den Schriften Hinweise auf eventuelle Schwachpunkte der Tiere finden konnte. Aber in seinem Zimmer war er nicht.
„Das ist seltsam. Franklin ist seit heute Nachmittag verschwunden. Angeblich wollte er den Brunnen reparieren.“
„Den Brunnen? Im Winter?“ Armand schaute nicht minder ungläubig als ich.
„Hat Ben euch vielleicht gesagt, wo er hinwollte?“ Sally kam uns aufgeregt entgegen.
Allmählich schrillten meine Alarmsirenen. „Ist er etwa auch verschwunden?“
„Auch?“, fragte sie unsicher.
Ben hatte ihr am frühen Nachmittag nur gesagt, dass er noch mal wegmüsse, aber nicht wohin. Seitdem hatte Sally kein Wort mehr von ihm gehört, und es wusste auch sonst keiner, weshalb er weggefahren war.
„Die Sache wird immer mysteriöser. Das ist doch kein Zufall, dass alle drei zur selben Zeit verschwinden, ohne jemandem zu sagen, wohin und weshalb.“
Mir wurde unbehaglich zumute. Der Verdacht lag nahe, dass Domeniko seine Finger im Spiel hatte, immerhin war nicht zu erwarten gewesen, dass er die Aktion mit den Sprayparolen hinnahm. Doch die drei Männer wussten über unseren Gegner Bescheid. Denkbar, dass es bei einem gelang, ihn zu überrumpeln, aber bei Dreien?
„Wir teilen uns auf und suchen. Irgendwo müssen sie ja stecken.“ Ich klammerte mich an diese Hoffnung, versuchte gleichzeitig, Ruhe zu bewahren, weil Sally ohnehin ein Nervenbündel war. Den Anfang machte ich in Franklins Büro und seinem angrenzenden Privatbereich. Keine Spur von ihm. Draußen am Brunnen fand ich eine Rohrzange und einen Schraubenzieher. Im Schnee gab es eine Vielzahl von Spuren, allesamt menschliche Schuhabdrücke. Sie führten vom Geräteschuppen an der Hinterseite des Haupthauses hierher und einige auch wieder weg. Vier Abdrücke bewegten sich zur Vorderseite, verloren sich dann im Kies, der täglich von Schnee und Eis befreit wurde.
Armand hatte den Keller und die Archivräume durchforstet und jedes Ordensmitglied befragt, das dort Artefakte suchte oder wegsortierte. Es mutete schon ein wenig grotesk an, mit welch stoischer Konstanz und Beharrlichkeit der Orden seinen üblichen Tätigkeiten nachging. Andererseits war es auch nicht verwunderlicher als die winterliche Brunnenreparatur meines Vaters. Jedenfalls war keiner der Verschwundenen dort unten gesehen worden.
Als wir uns eine Stunde
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