Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
versucht, reinzukommen, kriegen wir es sofort mit.“
„Gut.“ Eine Lupin hatte Steven noch nie behandelt. Thomas sah diese Gattung zum ersten Mal. „Ein Mensch wird eher eine Lupin für einen Werwolf halten als einen Lycaner“, erklärte er und suchte sich die nötigen Instrumente zusammen.
„Warum?“
Thomas strich der Lupin beruhigend über die Flanke. Die Fähe zuckte, erlangte aber das Bewusstsein nicht wieder.
„Sie hat viel Blut verloren. Wir nehmen sie nachher mit in unsere Wohnung, damit ich ihr eine Infusion geben kann.“
Thomas nickte wortlos. Gab es eigentlich irgendein Wesen, vor dem er zurückschrecken würde? Vermutlich nicht, solange Steven ohne Zögern darauf zuging. Er schmunzelte. „Wenn eine Lupin ihre Gestalt wandelt, sieht sie aus wie ein Mensch. Eine wunderschöne Frau“, erklärte er.
„Locken sie damit ihre Opfer in die Falle?“
„Nein. Sie ernähren sich von Leichen, treiben sich meist auf Friedhöfen rum. Keine Gefahr für Menschen. Aber sie sind ausschließlich weiblich. Um sich zu vermehren, müssen sie sich einen menschlichen Partner suchen. Dafür die Wandlung.“
Während er die Schnittwunde über die gesamte linke Körperhälfte zusammennähte, erklärte er Thomas, warum Lupins und Lycaner nichts miteinander zu tun hatten und sich auch nicht paaren konnten. Lycaner verachteten die schwächeren Lupins. Genetisch waren sie inkompatibel.
„Denkst du, das war ein Lycaner?“
Steven zuckte die Schultern. Er wusste es wirklich nicht. Die beiden Arten gingen sich aus dem Weg und ein Lycaner würde nicht unbedingt ein Messer verwenden, um auf eine Lupin loszugehen, aber ausgeschlossen war es nicht.
„Ich hoffe, das kann sie uns sagen, wenn sie wieder aufwacht.
Eloin starrte aus dem Fenster und versuchte, mit dem Chaos in seinem Inneren klarzukommen. Er sehnte sich nach seinem Wald in Rumänien, der klaren Luft und den Geräuschen der Natur. Hier kam er sich vor wie in einem Gefängnis.
Lysandra trat hinter ihn, legte die Arme um seinen Leib und schmiegte ihre Wange zwischen seine Schulterblätter. „Corelus hat eine weise Wahl getroffen. Du wirst den Frieden erhalten, für den er gekämpft hat.“
„Werde ich das?“, fragte Eloin. „Im Augenblick habe ich das Gefühl, dass durch mich vielmehr ein neuer Krieg entbrennt. Bruder gegen Bruder.“ Und dass ich nicht lange genug lebe, um die Hoffnung zu erfüllen, die er in mich setzt, fügte er in Gedanken hinzu, sprach es aber nicht aus, um Lysandra nicht zu beunruhigen.
„Du machst dir zu viele Sorgen. Corelus ist sicher, dass du der Richtige bist. Vertrau ihm und seinem Urteil.“
„Darum geht es nicht. Domeniko wird das nicht akzeptieren. Er ist voller Hass.“
„Er wird es nicht wagen, sich gegen den künftigen Fürsten zu stellen. Die Adelsfamilien stehen auf deiner Seite.“
Er drehte sich um und fasste Lysandra an den Schultern. „Das tun sie nicht. Ich bin keiner von ihnen. Lebe nicht wie sie. Sie beugen sich dem System, das Corelus erschaffen hat und seinem Wort, weil sie ihn respektieren. Doch werden sie es auch noch tun, wenn er tot ist? Ich habe ihre Blicke gesehen. Sie verachten mich.“
Lysandras Augen verschleierten sich betroffen und sie schüttelte ungläubig den Kopf. „Sag so etwas nicht.“
Er konnte sehen, dass ihr diese Gedanken Angst machten. Das wollte er nicht, aber sich vor der Wahrheit zu verschließen, würde diese nicht ändern. Liebevoll strich er ihr über die Wange und hauchte einen Kuss auf ihre Stirn.
„Man sollte nie seine Herkunft vergessen, Lysandra, denn andere vergessen diese ebenso wenig. Wenn es Corelus’ Wille ist, werde ich mich dem fügen und mich bemühen, ihm und dem, was er aufgebaut hat, Ehre zu machen. Doch es fällt mir schwer zu glauben, dass man mir das leicht macht. Für die bin ich ein Waldläufer – ein wildes Tier – und werde es immer bleiben.“
Es klopfte an der Tür. Beide blickten verwundert, wer das wohl sein könnte. Eloin gebot Lysandra, sich zurückzuziehen. Unruhe kroch in ihm hoch. Als er öffnete, stand Anelu vor der Tür. Seine Augen leuchteten hellgrün wie Moos an einem Bachlauf. Seine Miene war angespannt, aber frei von Verachtung oder Bedrohung.
„Darf ich reinkommen?“, bat er. „Ich sage es nicht gern, doch nicht jedem hier kann man trauen. Auf dem Flur hören zu viele Ohren mit.“
Verwundert trat Eloin beiseite und ließ Corelus’ Neffen ein. Höflich verbeugte sich dieser vor Lysandra und lächelte sie
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