Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
bändigte.
„Langsam, langsam, ma chère!“ Er gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Gib ihnen wenigstens ein paar Monate mit dir zusammen. Sie haben dich vier Jahre lang kaum gesehen.“ Er machte eine kurze Pause. „Und ich auch nicht.“
Fügsam schmiegte ich mich an seine Brust. „Was sind schon ein paar Jahre. Wir haben doch alle Zeit der Welt. Vielleicht … irgendwann.“
Er schüttelte den Kopf und küsste meinen Scheitel, streichelte mir zärtlich über den Rücken.
„Darüber haben wir schon so oft gesprochen. Überleg es dir gut. Es eilt nicht. Und wenn du dich dagegen entscheidest, werde ich dich auch noch lieben, wenn du alt und grau bist.“
Was konnte ich mir mehr wünschen? Ich hatte zwei wundervolle Eltern, die mich liebten und die dank unserer Zugehörigkeit zu dem PSI-Orden der Ashera keine Vorbehalte gegen meinen Vampir-Verlobten hatten. Immerhin waren Armand und seine Freundin Lilly seit vielen Jahren eng mit meinen Eltern befreundet, die im letzten Jahr, nachdem mein Großvater Carl gestorben war, die Leitung des Londoner Mutterhauses Gorlem Manor übernommen hatten.
Armand war der zärtlichste, verständnisvollste und großzügigste Mann, den ich mir vorstellen konnte. Auch wenn mir seine dunkle Natur noch immer dann und wann Angst machte und ich bisher nicht gewagt hatte, ihn auf der Jagd zu begleiten, so stand für mich fest, dass ich irgendwann den ewigen Bund mit ihm eingehen und seinen dunklen Kuss empfangen wollte. Meine Eltern sahen dies mit gemischten Gefühlen, nur Tante Camille sprach immer wieder von Bestimmungen, denen man nicht ausweichen durfte.
Ich fühlte es genau, vor mir lag ein großes Abenteuer. Ich konnte es kaum erwarten, irgendwann eine Tochter der Dunkelheit zu sein.
Blue ließ ein Bein über die Mauer baumeln, während er das andere angewinkelt darauf abstellte. Er starrte zu dem Fenster von Gorlem Manor empor, hinter dem, wie er wusste, Melissa Ravenwood gerade in die Arme ihres Verlobten sank. Wie anders ihr Leben doch verlaufen war wegen einer kleinen Änderung in der Zeitlinie. Er verspürte keine Schuldgefühle für den Mord an einer alten Hexe. Hatte keine Skrupel gehabt, seine Hände um ihre Kehle zu legen und Margret Crest langsam zu erwürgen, während er in ihrer Seele unzählige Tore öffnete und sich von ihrem Wissen und ihren Erinnerungen nährte. Eine völlig neue Erfahrung, die er nicht mehr missen wollte.
Blue lachte. Wieder einmal einen neuen Weg für sich entdeckt. Jetzt gehörte er nicht mehr zu der Familie der Dolmenwächter. Er hatte sich weiterentwickelt. Zeitspringer! Cooles Wort. Ein komisches Gefühl, außerhalb der normalen Zeitlinie zu stehen. Seine Pläne erforderten, dass er noch etliche Male vor- und zurücksprang, um der Frau, die er über alle Maßen verehrte, ihre geheimsten Wünsche zu erfüllen, von denen sie in dieser Nacht nicht einmal wusste, dass sie sie je verspüren würde. Aber das brauchte er ihr jetzt auch noch nicht zu sagen. Erst, wenn die Zeit gekommen war.
Er hatte alles verloren, jedes Band zerschnitten. Zu seinem Leben, seiner Bestimmung, seiner Familie. Ein Schatten, ein Phantom – allein. Aber war er das nicht schon einmal gewesen? Es spielte keine Rolle. Sie war dieses Opfer wert. Er würde jeden Preis bezahlen, der nötig war, damit Melissa Ravenwood glücklich war – und eines Tages ihm gehörte.
Außerdem war allein ja Ansichtsache. Er würde sich schon mit der einen oder anderen Schönheit die Zeit vertreiben. Da bot die Männer- und Frauenwelt ja ein schier unerschöpfliches Jagdgebiet.
Und wie cool, so viele mögliche Zeitlinien kennenzulernen. Von wegen gefährlich. No risk – no fun. Jedes Mal, wenn er in einer Vergangenheit etwas änderte, überraschte ihn die Zukunft, in die er reiste, aufs Neue. Aufregend. Es gab so viel zu entdecken, so viel auszuprobieren. Nicht alles davon tat er für Mel, Spaß sollte auch dabei sein. Ein herrlicher Zeitvertreib, mit dem sich ein paar Jahre Kurzweil zu verschaffen war. Und er konnte ja jederzeit hierherkommen und einen Blick darauf werfen, was seine Taten für sie mit sich brachten. Ob ihr Leben noch so verlief, wie sie es sich in der Eishöhle gewünscht hatte.
Am meisten Spaß würde es ihm machen, mit seiner alten Freundin Kaliste abzurechnen. Dafür musste er sich noch etwas Besonderes einfallen lassen. Erwürgen war so … simpel. Da ließe sich mehr draus machen. Vielleicht ein kleiner Wettstreit. Ihn hetzte ja niemand. Wäre interessant,
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