Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
wären?
„Der Einzige, der der Midgard wieder Herr werden könnte“, erklärte Raphael, der wohl als Einziger mehr wusste als in schriftlichen Mythen festgehalten wurde, „ist derselbe, der es damals geschafft hat, sie zu besänftigen. Ihr Vater Loki.“
Wieder einmal verwoben sich unterschiedliche Mythologien miteinander, denn Loki hatte nach Rafes Worten die Midgard einst mit einem Flötenspiel bezirzt. Er wies also Ähnlichkeiten mit Pan auf, indem alle Tiere gern seine Nähe suchten und seinem Spiel lauschten.
„Schön, und wie bringen wir ihn dazu, das wieder zu tun, falls es wirklich die Midgard ist, die demnächst ihren Kopf aus dem Wasser streckt?“ Als Meeresschlange erschien es logisch, dass sie sich befreit im Wasser bewegen würde. Und wenn sie Tausende von Jahren geschlafen hatte, verspürte sie vermutlich einen Riesenappetit. Es wäre also gut, wenn wir sie möglichst schnell ins Land der Träume zurückschickten.
„Jemand müsste zu ihm gehen und ihn darum bitten. Aber sicher sein, dass er uns hilft, können wir nicht.“
Sicherheit – so viel hatte ich gelernt – gab es nie. Abwarten, wie viele Menschen so eine Midgard verspeisen konnte, wollte ich nicht. Da Loki in der Unterwelt residierte, kamen wir um eine erneute Reise in dieselbe nicht herum. Diesmal gedachte ich jedoch, das Risiko von Anfang an auf ein Minimum zu beschränken, was bedeutete, den Dolmentoren den Vorzug zu geben, statt mich wieder an diversen Höllenwächtern und Fallen vorbeikämpfen zu müssen.
„Tut mir leid“, entschuldigte sich Blue. Aber dort gibt es keine Tore und auch keine Möglichkeit, welche zu erzeugen. Das ist ein anderes Terrain als bei Magotar.“
Ich presste die Finger an die Schläfen und atmete tief durch. Keine voreiligen Schlüsse und Entscheidungen. Da ich Corelus mein Wort gegeben hatte, auf Eloin aufzupassen, konnte ich nicht längere Zeit fortgehen, was bei dem klassischen Weg in die Unterwelt aber unvermeidlich wäre. Raphael nahm mir dieses Problem ab, da er und Tizian bereit waren, sich auf die gefährliche Reise zu machen. Es gab nur einen Haken, der ihm sichtlich unangenehm war.
„Wir brauchen dafür den Dämonenring. Die ältesten Tore können nur mit seiner vereinten Kraft geöffnet werden.“
Ohne zu zögern, streifte ich meinen Ring vom Finger und reichte ihn Rafe.
„Ich vertraue euch. Vertrauen ist jetzt das, was wir am meisten brauchen, wenn wir Domeniko und die Geschöpfe, die er gegen uns mobilisiert, aufhalten wollen.“
Damit war es beschlossene Sache und die beiden brachen noch in derselben Nacht auf. Blue versuchte weiter in den leeren Wohnungen einen Hinweis zu finden, warum Domeniko sich diese Leute geholt hatte und Armand und ich kümmerten uns um Eloins Schutz, indem wir die unseren nach England riefen.
Die Deinen ruf an Deine Seite
V on meinem Vater wusste ich, dass Lucien ebenfalls in London residierte. Er hatte ein Herrenhaus in einer noblen Wohngegend erworben. Mit großem Garten und viel Prunk. Etwas bescheidener als die Burg auf der Isle of Dark, aber immer noch stilecht und mit neuem Personal, weil Gillian und die Zwillinge in Miami geblieben waren.
Lucien hatte mich bereits erwartet. Seinem Gesicht war nicht anzusehen, was er empfand. Fürchten tat er mich jedenfalls nicht. Auch ein schlechtes Gewissen, weil er gegen meine Forderung weiterhin die Liaison mit meinem Vater pflegte, blieb aus. Sein Gebaren war kühl und höflich wie immer, nur mit mehr Vorsicht und einem beständig wachsamen Blick auf Armand.
Er geleitete uns in seinen Speisesaal, wo er uns Blutwein bringen ließ, als wären wir gute alte Freunde, die sich zum Plaudern trafen. Wen wollte er täuschen? Sich oder uns? Keiner von uns nahm Platz. Ich entschied, nicht darüber nachzudenken, was sein Gehabe sollte, sondern direkt zum Punkt zu kommen.
„Domeniko hat Corelus getötet und wird auch Eloin als neuen Fürsten nicht anerkennen. Wir stehen vor einem Krieg. Lycaner gegen Menschen. Da dieser auch an anderen PSI-Wesen – uns Vampire eingeschlossen – nicht spurlos vorübergehen wird und Corelus mich vor seinem Tod um Hilfe bat, werde ich mich Domeniko entgegenstellen. Doch das kann ich nicht allein. Ich brauche die Hilfe der meinen.“
„Alte Bündnisse auffrischen, wie?“
Sein Zynismus war nicht zu überhören. Es fiel mir schwer zu glauben, was mein Vater über Lucien und über sie beide gesagt hatte. Doch darauf kam es ohnehin nicht an. „Du bist einer der Mächtigsten
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