Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
unter uns, Lucien. Ich kann auf dich nicht verzichten in diesem Krieg.“
Er lachte ohne Humor, spürte, was in mir vorging und war nicht bereit, mir zu zeigen, dass es ihn verletzte, wie ich über die Beziehung zwischen ihm und Franklin dachte – oder über ihn im Allgemeinen. „Ein Krieg, weiß Gott,
thalabi
. Die Vampire schlagen sich auf die Seite der Menschen, um einen Krieg zu führen, der sonst nie gewonnen werden könnte und von dem die meisten Menschen nicht einmal etwas ahnen. Dass ich das noch erleben darf.“
„Bist du nun auf unserer Seite oder nicht?“, verlangte ich zu wissen. Wir hatten keine Zeit für seine Spielchen. „Franklin sagt, dass ihr euch liebt. Bedeutet er dir wirklich etwas oder ist das, was du ihm vorgaukelst nur wieder eine deiner Lügen – eine List – mit der du einen Zweck verfolgst?“
Sein Lächeln erstarb und machte einem bedrohlichen Funkeln Platz. Konnte ich ihm vertrauen? Durfte ich noch davon ausgehen, dass er loyal sein würde, wenn es zum Kampf kam? Doch ich war nun stärker als er und das war ihm bewusst. Also würde er es wohl nicht riskieren, sich mit mir anzulegen.
Hoffte ich.
„Was immer meine Königin befiehlt“, sagte er gepresst und verbeugte sich tief. Als er sich aufrichtete, machte er einen Schritt auf mich zu und hob die Hände. „Ich …“
Armand war sofort alarmiert und wollte dazwischengehen, doch ich hob die Hand, um ihm zu signalisieren, dass alles in Ordnung war. Statt auf Lucien zu reagieren, blieb ich stehen und erwiderte seinen Blick. Er verstand diese Geste besser als jedes Wort, ballte die Hände zu Fäusten und ließ sie mutlos wieder sinken. Früher einmal hätte der Schmerz auf seinen Zügen mich berührt, heute war das anders. Ich wusste, dass er gerade die Maske fallen ließ, die der Stolz ihm aufgezwungen hatte – beim ersten Wiedersehen, nachdem ich ihn wie einen räudigen Köter davongejagt hatte. Doch das spielte keine Rolle.
„Ich liebe deinen Vater. Ich habe mich geändert,
thalabi“
, sagte er leise.
„Nicht genug, Lucien. Nicht genug, dass ich dir vergeben könnte oder gar dir wieder vertrauen. Aber ich brauche dich jetzt.“
Er nickte stumm. Es erleichterte mich, ihn wieder an meiner Seite zu wissen.
„Weißt du, wo Dracon ist?“
Lucien schüttelte den Kopf. „Er ist seit damals spurlos verschwunden. Genau wie du.“
Ich hatte auch hierbei auf Luciens Hilfe gehofft, weil er Dracons Schöpfer war und somit immer eine Verbindung zu ihm besaß. Dass dies nicht länger der Fall war, stellte mich vor ein Problem. Jetzt blieb mir nur, darauf zu vertrauen, dass mein dunkler Bruder spürte, dass ich ihn suchte und von sich aus zu mir kam.
„Ich bin hier“, erklang es vom anderen Ende des Tisches.
Wir drehten uns um. Dracon stand hinter dem Stuhl am Fußende und hatte die Hände auf die Rückenlehne gestützt. Man hätte glauben können, er stünde bereits die ganze Zeit dort und mich beschlich das Gefühl, dass dies nicht allzu weit hergeholt war. Wie konnte es sein, dass keiner von uns es bemerkt hatte?
Er sah hager aus. Der satte Bronzeton seiner Haut unter dem abgewetzten Leder seiner Jacke hatte an Kraft verloren. Dennoch besaß er dieselbe unwiderstehliche Ausstrahlung wie vor sieben Jahren, die mich gleichermaßen anzog wie erschreckte. Eine lässige Arroganz vermischt mit Verletzlichkeit. Sanft und zugleich gefährlich. Seine Bosheit war nur die eine Seite seiner Seele, die des Vampirs. Aber der sterbliche Knabe von einst war nie ganz gestorben und prägte seine Natur mehr als ihm lieb war. „Pascal“, flüsterte ich tonlos und sein Lächeln zeigte mir, dass er verstand.
Wir waren so eng miteinander verbunden wie Geschwister, ganz gleich, welche Zwistigkeiten wir gehabt haben mochten. Immer wieder hatten wir gegeneinander gekämpft, doch wenn es drauf ankam, stand Dracon stets auf meiner Seite. Seine Liebe zu mir besaß eine besondere Natur, die schwer zu erklären, noch schwerer zu verstehen war. Und manchmal fragte ich mich trotz allen Misstrauens und der Erinnerung daran, was er mir als Sterbliche angetan hatte, ob tief in mir nicht eine ähnliche Flamme für ihn loderte. Er war davon überzeugt, ließ es Armand auch jetzt wieder spüren, während er lässig auf uns zuschlenderte, mich keine Sekunde aus den Augen ließ, dass der Platz an meiner Seite in Wahrheit ihm zustand. Doch mein Gefährte war längst darüber hinaus, sich provozieren zu lassen, weder von Dracons Stolz noch von dessen Gefühlen
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