Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
Anelu.
Eine weitere Parallele zum ägyptischen Totenkult. Ich nickte wortlos, ging zu Corelus und drückte einen Kuss auf seine Stirn als Zeichen meines Respekts.
„Ich schwöre dir, dass ich alles in meiner Macht Stehende tue, damit dein Lebenswerk fortgesetzt wird.“
Für eine Sekunde glaubte ich, ein letztes Glühen in seiner Iris zu sehen, doch sicher war es nur eine Lichtspiegelung.
Armand verabschiedete sich in ähnlicher Weise, danach gingen wir in die große Halle, wo Eloin die Trauergäste empfing. Er wirkte sehr angespannt. Lysandra wich nicht von seiner Seite. Man merkte, dass ihn die Verantwortung, die nun auf seinen Schultern lag, niederdrückte. Die Vielzahl an Lycanern und anderen Trauergästen verursachte ihm Panik. Er war die Freiheit des Waldes und die Beschaulichkeit seines kleinen Rudels gewohnt. Als er mich und Armand erblickte, hellte sich seine Miene auf.
„Mel, Armand. Danke, dass ihr gekommen seid.“
„Na ja, wenn du die Zeremonie schon extra wegen uns auf die Nachtstunden verlegst, wäre es sehr unhöflich gewesen, nicht zu erscheinen.“
Er winkte ab. „Ich bin froh, ein paar vertraute Gesichter dabeizuhaben. Die anderen hier …“, er blickte unsicher umher, „… bei denen stehe ich doch auf dem Prüfstand.“
Er tat mir leid. Seine Unsicherheit würden manche versuchen auszunutzen. Gut, dass er Anelu hatte. Corelus’ Butler – jetzt Eloins Butler – erschien und bat die Gäste zum Totenschmaus ins Speisezimmer. Aus Respekt nahmen auch Armand und ich teil. Währenddessen wurde Corelus’ Leichnam für die Bestattung vorbereitet. Eine Stunde später schritt die Prozession vom Haupthaus zur Krypta. An der Spitze Eloin, dahinter der Sarg, von Anelu und dem Butler geschoben. Gefolgt von Lysandra und den anderen Lycanern. Armand und ich bildeten das Schlusslicht und hielten die Augen offen, ob Domeniko die Trauerfeier für einen weiteren Angriff nutzen würde. Ich traute es ihm zu, doch alles blieb ruhig.
Die Grabrede hielt Anelu, nachdem Eloin ihm dieses Vorrecht einräumte, da Corelus sein Mentor gewesen war. Damit erntete er Anerkennung unter den Anwesenden, weil er diese Ehre nicht aus bloßem Recht für sich beanspruchte. Es war ergreifend, wie Anelu – immer wieder von Tränen erschüttert – Corelus’ Leben Revue passieren ließ und damit endete, was er ihm bedeutet hatte und mit welchem Stolz er seiner Wahl gemäß künftig Eloin seine Treue schwor. Das Löschen der Fackeln übernahmen die beiden gemeinsam. Ich hatte das Gefühl, dass sich hier zwei echte Freunde gefunden hatten.
Nachdem die Trauergemeinde gegangen war, kehrten wir im kleinen Kreis noch einmal ins Haus zurück.
„Eloin, ich befürchte, dass Domeniko schon bald versuchen wird, dich zu stürzen. Vermutlich, indem er dich tötet. Dass er überhaupt so viel Respekt besitzt, die Totenwache und Beisetzung des alten Fürsten abzuwarten, hat mich überrascht. Wir werden Vorkehrungen zu deiner Sicherheit treffen. Das bin ich ihm schuldig. Ich habe es versprochen.“
Obwohl er unglücklich damit war, unter Bewachung zu stehen, sah Eloin ein, dass es nur zu seinem Besten war. Es hing zu viel von ihm und Anelu ab.
„Anelu“, wandte sich Armand an den jungen Berater. „Welchen Lycanern könnt ihr sicher vertrauen? Wir brauchen jemanden, der bei Tag Wache hält. Für die Nacht werden wir Vampire hier postieren, doch im Sonnenlicht ist uns das nicht möglich.“
Anelu kannte genug Familien, die Corelus und auch Eloin loyal gegenüberstanden und einen unzweifelhaften Leumund besaßen. Unter den Vampiren entschied ich mich für Saphyro und Kortigu mit ihren Familien. Sie genossen mein Vertrauen und waren überdies geübte Kämpfer. Kortigu entstammte einem Wikingergeschlecht. Seine Kinder glichen nordischen Hünen, die mit ihrer Muskelkraft jeden Gegner einschüchterten. Saphyros Vorteil lag darin, dass seine Prinzen und Prinzessinnen leicht unterschätzt wurden, da sie allesamt sehr jung wirkten. Kinder und Jugendliche, Halbwüchsige, deren Kraft nicht auf den ersten Blick offensichtlich wurde.
Auf dem Rückweg nach Hause hatte ich das Gefühl, fürs Erste getan zu haben, was ich konnte. Nun hieß es abwarten und die Geschehnisse beobachten. Ein Angriff unsererseits auf Domeniko, da waren Armand und ich einig, war der falsche Weg und konnte böse nach hinten losgehen. Wir mussten ihm den ersten Zug überlassen, mit dem er sicher nicht lange auf sich warten ließ.
Als wir uns in unsere Schlafkammer
Weitere Kostenlose Bücher