Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
sprang zu seinem Rechner und richtete die Kameras aus.
Pettra sah zu ihm und wusste, was in ihm vorging. Es musste einen Grund geben – zum einen, wie jemand diese Codes eingeschleust hatte und zum anderen, warum. Das war noch nicht das Ende der Wahrheit. Sie fröstelte bei dem Gedanken, was sie womöglich fanden. Dennoch zwang sie sich, weiterzuarbeiten. Das lenkte sie ab und sie wussten nicht, wann man ihren Zugriff bemerkte und die Verbindung kappte. Die Zeit lief ihnen davon. Verzweiflung machte sich breit, als jeder Gegencode, den sie eingab, sofort von den feindlichen Befehlen erkannt und eliminiert wurde. Sie konnte so schnell sein, wie sie wollte, der Gegner war immer eine Nanosekunde schneller. Auch Ben fluchte mehrmals, weil er in Sackgassen landete, oder das Signal weitersprang, sobald er glaubte, es lokalisiert zu haben. Mit einem Ohr lauschten sie auf Slade, der immer noch den Serverraum absuchte.
„Großer Gott!“, entfuhr es ihrem Lebensgefährten mit einem Mal. Er war leichenblass und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, als wollte er einen Albtraum vertreiben. „Wir sind geliefert.“
„Was ist?“, wollte Ben wissen, während Pettra bereits einen Blick auf die Entdeckung werfen konnte, die Slade gemacht hatte.
Das Gefühl in ihrem Inneren verwandelte sich in eisige Panik, denn ihr war klar, dass sie vollkommen hilflos waren und nichts anderes tun konnten, als zuzusehen, was da gerade auf ihre Auftraggeber zukam.
„Verdammt noch mal, sagt was, oder schaltet mich auf“, verlangte Ben.
Da Slade immer noch wie paralysiert auf den Bildschirm starrte, streckte Pettra ihre Hand aus und drückte eine Taste, damit Ben dasselbe sah wie sie.
Einige Sekunden war alles still. Dann sagte er: „Wir haben de facto ein verdammt großes Problem.“
Pettra konnte ihm nicht widersprechen.
Diesen Dusty mit nach London zu nehmen, war für Blue das Naheliegende gewesen. Er musste das, was er gesehen hatte, Mel erzählen. Allmählich fügte sich das Bild zusammen.
Bei ihrer Ankunft war es noch Tag, aber Blue entschied sich dagegen, den jungen Hacker zu Franklin zu bringen. Mel sollte mit ihm reden. Es ging – das gab er ja zu – ihm auch darum, ihre Anerkennung und Dankbarkeit zu kriegen. Das würde geschmälert, wenn der Typ Franklin bereits alles sagte und der die ersten Schlussfolgerungen und Entscheidungen traf.
Während sie auf den Einbruch der Nacht warteten, brachte er Dusty in seine alte Londoner Wohnung. Der Kleine war fertig, nachdem er tagelang nur von Müll gelebt und in Dreck, Kälte und Nässe geschlafen hatte. Blue bestellte ihm eine Pizza und machte ihm eine Kanne Kaffee. Nachdem Dusty beides geleert hatte, rollte er sich auf Blues Sofa zusammen und schlief ein. Offenbar fühlte er sich bei ihm sicher, oder die Erschöpfung forderte ihren Tribut.
Den Schlaf seines neuen Schützlings nutzte Blue für einen unbemerkten Besuch, zu dem ihn seine innere Unruhe trieb. Sieben Jahre lang hatte er kein Wort mit ihr gesprochen, doch vergessen konnte er sie nie. Blue wusste immer, wo Melissa war, verlor nie ihre Spur und verbrachte Stunden damit, sie im Schlaf zu betrachten. Mit angehaltenem Atem, dass ihr Gefährte Armand nichts bemerkte. Es schmeckte bitter, dass sie einmal Freunde gewesen waren. Wenn Mel der Grund für Armands Wut auf ihn gewesen wäre, hätte er es noch hinnehmen können. Doch er verachtete ihn dafür, was er war und was er getan hatte. Und weil er trotz ihrer Freundschaft und aller Offenheit vonseiten Armand das Geheimnis für sich bewahrt hatte, ein Dolmenwächter zu sein.
Blue seufzte. Er mochte Armand sehr. So oft war er kurz davor gewesen, sich ihm anzuvertrauen. Heute ärgerte er sich, es nicht getan zu haben. Dann wären sie vielleicht noch Freunde.
Aber nicht nur er blieb in Melissas Nähe. Auch das war Blue nicht entgangen. Dieser Vampir – Dracon – hatte sich in eine Kammer in der Pyramide zurückgezogen, um ihr nahe und jederzeit da zu sein, wenn sie ihn brauchte – sich vielleicht nach ihm sehnte. Keine Frage, dass er sehr viel für Mel empfand. Das verband sie wohl miteinander – dieselbe Frau zu lieben, die aber immer unerreichbar für sie blieb.
Er war sicher in London, weil er immer da war, wo Melissa sich aufhielt. Aber nicht in ihrer Wohnung. Außer den beiden Schlafenden und ihm war niemand hier. Seine Hand zitterte, als er sie ausstreckte. Er wagte kaum zu atmen, noch weniger, sie zu berühren, aber die Sehnsucht war groß. Als seine Finger
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