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Ruf mich bei Deinem Namen

Ruf mich bei Deinem Namen

Titel: Ruf mich bei Deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Aciman
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sehen, verrenkte den kobragleichen Hals und seufzte wie ein feuerspuckender Straßenkomödiant:
    Guido, vorrei che tu e Lapo ed io
    fossimo presi per incantamento,
    e messi ad un vasel, ch’ad ogni vento
    per mare andasse a voler vostro e mio.
    Guido, wie gerne möcht’ ich, dass wir drei –
    du, Lapo, ich – durch mächt’ge Zauberei
    ein magisch Schiff besteigen, wo der Wind
    behexte Segel blähend, uns geschwind
    nur unsrem Willen folgend dorthin bringt,
    wo immer unsre Fantasie ihn zwingt.
    Wie wahr! Ich wünsche, Oliver, du und ich und alle, die wir lieben, könnten immer und ewig in einem Haus leben …
    Nach jedem seiner halblaut gebrabbelten Verse nahm er langsam seine lauernd menschenfeindliche Haltung wieder ein, bis der nächste Tourist ihm eine Münze hinwarf.
    E io, quando, ’l suo braccio a me distese,
    ficcai li occhi per lo cotto aspetto,
    si che ’l viso abbrusciato non difese
    la conoscenza sua al mio ’ntelletto;
    e chinando la mano a la sua faccia,
    rispuosi: »Siete voi qui, ser Brunetto?«
    Und ich, als er die Arme nach mir streckte,
    hab ihn des Brandes wegen scharf betrachtet,
    so dass sein ausgesengtes Angesichte
    mir ihn zu kennen nicht verbieten konnte.
    Ich beugte mein Gesicht zu seinem nieder
    Und fragte: »Seid denn Ihr hier, Herr Brunetto?«
    Wieder der verächtliche Blick, die kompromisslose Starre. Die Menge verlief sich. Offenbar hatte niemand den Abschnitt aus dem fünfzehnten Gesang des Inferno erkannt, in dem Dante seinem früheren Lehrer, Brunetto Latini, begegnet. Zwei Amerikanerinnen, die sich glücklich bis in die Tiefen ihrer Rucksäcke
gewühlt hatten, ließen einen Schauer kleinster Münzen auf Dante niederregnen, was er mit einem finster angeekelten Blick quittierte.
    Ma che ciarifrega, che ciarimporta,
    se l’oste ar vino cia messo l’acqua:
    e noi je dimo, e noi je famo,
    »ciai messo l’acqua e nun te pagamo.«
    Ist doch egal, uns kümmert nicht direkt,
    wenn unser Wirt den Wein mit Wasser streckt:
    Wir sagen ihm dann einfach ins Gesicht:
    Du hast den Wein gepanscht, wir zahlen nicht!
    Oliver begriff nicht, warum alle über die unglücklichen Touristinnen lachten. Weil er ein römisches Trinklied rezitiert hat, sagte ich, und wenn man das nicht
weiß, ist es nicht witzig.
    Ich wollte ihm eine Abkürzung zu der Buchhandlung zeigen. Er habe nichts gegen den langen Weg, sagte er, wir hätten es schließlich nicht eilig. Mein Weg ist aber besser. Oliver
wirkte nervös und blieb dabei. »Ist was mit dir?«, fragte ich schließlich. Ich wollte ihn auf taktvolle Weise dazu bringen herauszulassen, was ihn drückte. Hatte es
etwas mit seinem Verleger zu tun? Oder mit sonst jemandem? Vielleicht mit mir? Ich kann mich gut allein beschäftigen, wenn du ohne mich gehen willst. Ich weiß schon: Ich bin das
Professorensöhnchen, das sich wie eine Klette an dich gehängt hat.
    »Das ist es nicht, du Esel.«
    »Was dann?«
    Er legte mir einen Arm um die Taille.
    »Ich will nicht, dass heute Abend etwas anders wird oder sich etwas zwischen uns stellt.«
    »Wer ist jetzt der Esel?«
    Er sah mich nachdenklich an.
    Wir nahmen meinen Weg, kreuzten von der Piazza Montecitorio zum Corso hinüber und gingen dann die Via Belsiana hinauf. »Ungefähr hier hat es angefangen«, sagte ich.
    »Was?«
    »Es.«
    »Deshalb wolltest du diese Strecke gehen?«
    »Mit dir.«
    Die Geschichte dazu kannte er schon. Drei Jahre war es jetzt her. Der junge Mann auf einem Fahrrad, wahrscheinlich ein Kaufmannsgehilfe oder Botenjunge im Kittel, der eine schmale Straße
entlangfuhr, sah mir gerade ins Gesicht, und ich gab den Blick zurück, ohne zu lächeln, bis er vorbei war. Und dann tat ich das, was hoffentlich auch andere in so einem Fall tun
würden. Ich wartete ein paar Sekunden, dann drehte ich mich um. Er hatte es genauso gemacht. Ich kam nicht aus einer Familie, in der man Unbekannte anspricht. Der andere schon. Er riss das
Fahrrad herum und trat in die Pedale, bis er mich eingeholt hatte. Ein paar belanglose Worte, lockeres Geplauder, müheloser Redefluss. Fragen, Fragen, Fragen, nur um das Gespräch in Gang
zu halten, während ich nicht einmal genug Luft hatte, um ein Ja oder ein Nein herauszubringen. Er schüttelte mir die Hand, aber wohl nur, um sie anfassen zu können. Dann legte er
einen Arm um mich und drückte mich an sich, als freuten wir uns gemeinsam über einen guten Witz. Ob ich Lust hätte, mit ihm in ein Kino hier in der Nähe zu gehen, fragte er. Ich
schüttelte den

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