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Ruge Eugen

Ruge Eugen

Titel: Ruge Eugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: In Zeiten des abnehmenden Lichts
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anschließende «Familientag», mal schön zusammen kochen, solche Sachen, oder, ganz übel, Ausstellung zusammen besuchen – wenn nicht gerade der sogenannte Familienrat tagte, Deckname für Anschiss, weil er irgendwelche Pflichten wieder mal nicht erfüllt hatte oder wegen dem Hakenkreuz in seinem Zimmer, was überhaupt nichts mit Nazis zu tun hatte, sondern aus Indien kam, Hinduismus und so, aber da wurden sie auf einmal hysterisch. Das alles war unglaublich ätzend, und doch hatte er immer so etwas wie ein schlechtes Gewissen, wenn er mit Frickel zusammentraf, kam sich verwöhnt und verweichlicht vor und verspürte den Drang, besonders schlecht über das Leben in Großkrienitz zu reden, andererseits – viel reden war auch nicht cool, sodass die Zusammenfassung der Woche zumeist kurz und prägnant ausfiel:
    – Voll die Kotze, sagte Markus, als sie in dem vergammelten Steinpavillon die erste mit Gras gespickte Zigarette rauchten.
    Und Frickel sagte:
    – Scheiß drauf.
    Und reichte die Zigarette an Markus weiter.
    Dann kamen Klinke und Zeppelin, und Zeppelin hatte die Idee, irgendeinem Scheißtürken, der irgendeine Braut aus Zeppelins ehemaliger Klasse angemacht hatte, die Reifen von seinem Scheiß-Opel zu zerstechen, aber erstens war es noch zu früh am Tag, und zweitens war der Opel nicht da, zum Glück, denn obwohl Markus, um nicht weichlich zu erscheinen, sofort zustimmte, war die Idee – drittens – so gut wie Selbstmord.
    Kurz vor Mitternacht kamen sie am Bunker an, Zeppelin kannte die Türsteher. Sie stiegen die Treppe hinab. Schon hier war die Musik laut. Der typische säuerliche, rauchige, modrige, versiffte Kellergeruch schlug ihnen entgegen, so penetrant, dass Markus nicht einatmen mochte, aber als sich die Stahltür öffnete, droschen die Techno-Bässe auf seinen Körper ein wie eine riesige, unsichtbare Faust, und es gab keinen Geruch mehr. Es gab nur noch den Sound und das bleckende Licht und die wabernde Menge und die unerreichbar fernen GoGos auf den Boxen, die ihre Haare herumwarfen und ihren Bauch kreisen ließen und ihren Arsch kreisen ließen und ihre Fotzen kreisen ließen und gefickt werden wollten und niemals, niemals, niemals gefickt werden würden, jedenfalls nicht von ihm, nicht von Markus Umnitzer und nicht von Frickel aus der Gropiusstadt, und vermutlich auch nicht von Klinke und Zeppelin, obwohl sie zwei Jahre älter waren und ein geiles Tattoo auf dem Oberarm trugen.
    Zeppelin schob eine Ecstasy rüber, Markus bezahlte gleich und spülte sie mit einer großen Cola runter (er vertrug Ecstasy nicht zusammen mit Alkohol). Eine Weile stand er noch herum und wiegte sich ein bisschen im Rhythmus und schaute nach anderen, erreichbaren Frauen, und je mehr er draufkam, desto mehr Superfrauen gab es auch auf der Tanzebene. Allmählich wich die Verlegenheit aus seinen Knochen. Zwar konnte er nicht tanzen, hatte noch nie tanzen können, aber langsam wurde er locker, eine Weile hatte er eine Art unsichtbaren Körperkontakt mit einer kleinen, sportlichen, schmutzig blonden Frau in einem ausgeleierten Top, das andauernd verrutschte, sodass man ihre kleinen, runden, festen Titten sehen konnte, er starrte die ganze Zeit dahin, und sie ließ ihn. Schaute ihn kaum an, aber ließ ihn gucken. Er wurde ganz geil davon, obwohl ihre Titten, genau genommen, so klein waren, dass sie auch ein Mann hätte sein können. Dann verlor er die Frau, tanzte eine Weile allein, trank ein Bier. Fing wieder an zu tanzen, hatte Augensex mit einer zerrissenen Strumpfhose, mit schwarzen Zombieaugen, und irgendwann war ihm alles egal, er fand sich auf einmal unglaublich sexy, dann war eine Weile nichts, nur die Musik, die ihm den Atem aus den Lungen drosch. Dann fand er die Schmutzigblonde mit den Sporttitten wieder, sie verständigten sich mit den Augen auf was trinken, und irgendwann später, nachdem jeder von ihnen zwei Black Russian getrunken hatte, knutschten sie in einem Gang rechts vom Klo, er erkundete die tatsächliche Größe ihrer Titten, fummelte auch ein bisschen zwischen ihren Beinen herum, aber mehr war bei ihr nicht drin.
    Auf einmal hatte jemand noch Dope dabei. Markus kiffte sich die Enttäuschung aus dem Hirn. Als sie gingen, hatte er das Zeitgefühl vollkommen verloren. Er verstand nicht, worüber die anderen sich kaputtlachten. Sie warteten ewig auf eine Bahn. Die Kälte kroch allmählich in den leergetanzten, aufgeputschten und allmählich wieder erschlaffenden Körper, und als er irgendwann auf der

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