Ruge Eugen
Schweinefilet und Spinatknödel, aber das Schweinefilet war mit Roquefort gefüllt, und Markus kratzte den Roquefort demonstrativ heraus, und Klaus ärgerte sich, man sah es ihm an. Schwieg aber.
Und dann war auf einmal «Familienrat» angesagt.
Es stellte sich heraus, dass wieder mal ein Brief von seiner Telekom gekommen war. Das Übliche: Fehltage, schlechte Noten, aber allmählich brannte die Sache.
– Es geht nicht darum, dass ich dir diese Lehrstelle besorgt habe, sagte Klaus – aber natürlich, dachte Markus, ging es in Wirklichkeit genau darum.
Er ließ den üblichen Psalm über sich ergehen, das Leben, der Beruf, und wenn du jetzt nicht … Und dann sollte er «Stellung nehmen».
– Es ist sowieso Beschiss, sagte Markus. Am Anfang hat die Telekom versprochen, dass alle übernommen werden, und jetzt heißt es auf einmal: nur einer!
Klaus wieder: Er könne sich ja auch woanders bewerben, und wenn man gute Leistungen hätte und so weiter, und Markus fragte sich, was Klaus eigentlich für tolle Leistungen vollbracht hatte. Hatte er Bundestag studiert oder was? Und ob Klaus in der Lage wäre, die Matheaufgaben in der Berufsschule zu lösen, Sinus, Cosinus, das wagte er zu bezweifeln! Und dann musste er gähnen, einfach so – das Essen, die beiden letzten Nächte, es war ausnahmsweise nicht gegen Klaus gerichtet, aber Muddel regte sich plötzlich auf, ob er nicht mal die Hand vor den Mund halten könnte (als käme es gerade darauf an, sich die Hand vor den Mund zu halten), und wie dankbar er sein müsse, dass Klaus ihm die Lehrstelle besorgt hätte blablabla.
– Ich hab ihn nicht drum gebeten, sagte Markus.
Das war hundertprozentig die Wahrheit: Er hatte Klaus niemals darum gebeten, ihm eine Lehrstelle als Kommunikationselektroniker zu besorgen (eigentlich wäre er gern Tierpfleger geworden, und wenn das nicht möglich war, weil es angeblich keine offenen Lehrstellen gab, wäre er am liebsten Koch geworden, da gab es offene Lehrstellen, aber nein: Kommunikationselektroniker).
Aber das hätte er lieber nicht sagen sollen. Sag die Wahrheit! – Aber wenn man wirklich einmal die Wahrheit sagte, fing Muddel an zu schreien, genauer gesagt, versuchte zu schreien mit ihrer Stimme, die nie richtig aus ihr herauskam, und nachdem sie eine Weile geschrien hatte (Inhalt uninteressant), holte sie aus und knallte mit einer übertriebenen Bewegung ein winziges Plastiktütchen auf den Tisch:
Dope. Gras. Ein Stoff, der nach Markus’ Überzeugung tausendmal ungefährlicher war als Alkohol, kein Grund, sich aufzuregen – aber Muddel regte sich auf. Muddel regte sich wahnsinnig auf. Ja, er hatte versprochen, kein Gras mehr zu rauchen (was blieb ihm auch anderes übrig). Allerdings bewies die bloße Existenz der Tüte ja nicht, dass er es tatsächlich geraucht hatte. Die noch vorhandene Tüte bewies, genau genommen, eher das Gegenteil, fand Markus. Aber mit Logik war jetzt nichts mehr zu machen.
– Es reicht, sagte Muddel. Mir steht es hier oben! Verstehst du, bis hier! – Sie zeigte bis dicht unter die Nase.
Darauf wieder die Pfarrerstimme:
– Wenn du nicht sofort umkehrst, Markus, dann müssen auch wir irgendwann …
– O Mann, sagte Markus.
– Du hörst jetzt zu, schrie Muddel.
– Der hat mir gar nichts zu sagen, der Wichser, schrie Markus zurück.
Und dann, endlich, schrie auch der Wichser.
– Raus, schrie der Wichser, raus!
Markus packte seine Sachen und fuhr nach Cottbus.
Den Sonntagabend verbrachte er allein vor dem Fernseher in seiner WG und zappte sich durch «Weiße Jungs bringen’s nicht» und einen behinderten Tatort und landete schließlich bei diesem Sexzeug mit neunhunderter Telefonnummern, worauf er sich einen runterholte.
Am Montagmorgen erschien er pünktlich auf der Arbeit. Diese Woche war er dem technischen Kundenservice zugeteilt und fuhr mit einem erfahrenen Kollegen raus: Datenleitungen, Entstörung. Der Kollege hieß Ralf. Er war schon mindestens vierzig. Draußen regnete es, kalter Novemberregen, und man bekam klamme Finger. Einmal hielten sie an einer Imbissbude, und Ralf spendierte ihm eine Currywurst und heißen Tee. Sie saßen bei laufendem Motor im Auto, es war schön warm, und das einzige Blöde war, dass Ralf die ganze Zeit so idiotische Musik hörte.
Am Dienstagabend waren seine Mitbewohner wieder alle da. Sie holten sich ein paar Flaschen Bier und erzählten sich, was für Bräute sie am Wochenende aufgerissen hatten. Es begann Markus ziemlich schnell auf den
Weitere Kostenlose Bücher