Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
von Dohleneck in dem Augenblick gelangt, er wollte auf diesen Tröster in der Noth ein Glas leeren, als, zu seiner Verwunderung, aus der leeren Flasche nichts mehr fließen wollte. Er schlug damit gegen das Glas, ein Zeichen, welches Herr Josty sehr wohl verstand, als die Thür aufging, aber statt des Konditors, der Kaufmann Herr van Asten eintrat.
Sie mussten sich Beide schon kennen, aber die Freude des Wiedersehens schien auf Seiten des Rittmeisters nicht groß, noch weniger, als nach der ersten Begrüßung der Kaufmann einen Platz auf der Bank in der Art einnahm, daß er dem Offizier die Thür und den Ausgang dahin versperrte. Und als van Asten die abgetragene dicke Brieftasche aus dem Rock zog, zog sich auch das Gesicht des Rittmeisters sichtlich in die Länge.
»Sie werden sich hier die Augen verderben.«
»Bin Ihnen für Ihre Theilnahme sehr obligirt, aber was hier drin liegt, kenne ich Alles auswendig.«
Diese Versicherung tröstete den Offizier noch weniger, besonders als er, trotz der Dunkelheit, mit seinem scharfen Auge einen länglichen, schmalen Papierstreifen, den van Asten jetzt unter andern auf den Tisch legte, sehr gut zu erkennen glaubte. Warum den Gruß der Batterie abwarten, lieber grad los darauf.
»Herr van Asten,« sagte er, »inkommodiren Sie sich nicht. Ich kenne den Wisch. Sind noch vierzehn Tage hin. Wenn ich am Verfalltage noch lebe, na, da sprechen wir weiter davon. Bin ich aber todt, machen Sie und ich unsre Rechnung mit dem Himmel –«
»Theuerster Herr von Dohleneck,« rief der Kauf mann, den Wechsel wieder in die Tasche schiebend, »was so viel Gerede um eine Bagatell! Zweihundert Thaler! Darum sollte der alte van Asten einen Offizier seines Königs molestiren! Bin ich ein Wucherer? Weiß ich nicht, daß ein Soldat vor dem Feinde Courage braucht? Courage und Kredit sind Verwandte und was kostet nicht die Feldequipage! Wie kann da ein Offizier an solche Lumpereien denken. Mancher hat auch sonst Liebes hinter sich. Möchte ihnen doch gern ein Angebinde zurücklassen.«
Der Rittmeister von Dohleneck sah ihn etwas groß, aber nicht sehr klar an. Der Eingang war zwar angenehm, aber wer bürgte ihm, daß es der Ausgang auch sein werde?
»Alle sind nicht wie Sie. Solidität wird eine immere rarere Eigenschaft, und der Krieg ist ein grausam Vergnügen. Wer weiß, wer zurückkommt und wer da bleibt! Wenn nun Alle blieben, wer soll da bezahlen. Wie viele Kaufleute sind mit ruinirt.«
Der Rittmeister sah mit Verwunderung wie der Kaufmann eine ganze Partie ähnlicher Papierstreifen auf den Tisch legte. Es überkam ihn ein Schauer in der Seele Derer, die sich mit ihrem Namen darunter geschrieben, seine Stirn aber runzelte sich bei der Vorstellung, daß der alte Geldmann ihn etwa ausersehen, um über die Verhältnisse seiner Kameraden Auskunft zu geben. Ein schlauer Seitenblick des Andern las, was in seiner Seele vorging. »Wie werde ich denn einen Offizier zum Zeugen aufrufen gegen seine Kameraden! Das weiß ich, jeder Offizier muß für den Andern gut sagen –«
»Na hören Sie, was das anbetrifft!«
»Wir verstehen uns ja! Kavalierparole ist sehr was schönes. Giebt gar nichts schöneres in der Welt. Aber bei Wechseln, da halten wir Kaufleute, 's ist so 'ne alte Usance, uns an andre Dinge. Wer ins Feld marschirt z.B. kann nicht Alles mitnehmen; man erleichtert's den Herren, nimmt ihnen was zu schwer ist ab. Hatte da eben eine kleine Konferenz mit unserm Manteuffel. Das ist ein praktischer Mann.«
»Hol' ihn der Teufel!« sagte der Rittmeister.
»Weiß wohl, daß ihm die Herren Offiziere nicht sehr grün sind. Ja, lieber Himmel, wenn mal 'ne Sache unterm Hammer steht, giebt er sie weg um jeden Preis. Das ist wahr. Ist nu mal nicht anders. Die Moral ist, man muß es nicht dahin kommen lassen. Was nun des Herrn Rittmeisters kleinen Wechsel anbetrifft, so machte mir Herr Manteuffel die Proposition –«
»Seelenmann, Sie werden mich doch nicht an Manteuffel verkaufen?«
»Verstehen Sie mich, er wollte Sie einem Andern abgeben.«
»Das ist ja Seelenverkäuferei!«
»Sagte ich auch. Und ich wusste ja nicht, ob Sie gern mit dem Herrn in Konnexionen kämen. Nun wir kennen uns! Aber der Herr ist ein Fremder, und voll hätte er auch nicht gezahlt, und wie gesagt, wer weiß, ob Ihnen das recht ist, an den Legationsrath von Wandel abgegeben zu werden.«
»Der!« Der Rittmeister legte schwer seine Hand auf den Tisch.
»Sehen Sie, das hab' ich Manteuffeln auch gesagt. Er ist ja ein
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