Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
wollte am hellen Tage in ihre Wohnung treten, sich mit seinem vollen Namen melden lassen und um eine Unterredung unter vier Augen bitten. Wer den Rittmeister von Dohleneck kannte, wusste, daß das ein ungeheurer Entschluß war. Und ein ganz freier und ein geheimer, – er theilte ihn Niemand mit. An dem Tage, als die ersten Regimenter von der Weichsel durchmarschirten, hatte er ihn gefasst. Es war der Augenblick, als sein Pferd, oder er bei ihrem Anblick am Fenster unruhig geworden und Kehrt gemacht hatten. Er war sehr unzufrieden mit sich zurückgekehrt, er hatte sich gesagt: ein Soldat dürfe nie Kehrt machen vor einer Gefahr, ob wirklich, ob scheinbar. Gerade hier ist es seine Pflicht, zu recognosciren, und nicht zu weichen, bis er – rapportiren kann.
Es war vorgestern gewesen, daß er seine beste Interimsuniform angezogen und sich auf den Weg gemacht. Ein saurer Weg! Die Pflastersteine schienen Klebriges zu schwitzen, sie hielten seine Sohlen fest. Er aber sprach sich Muth ein: »Nun, und wenn es nichts ist, dann ist es nichts und Alles bleibt beim Alten.« Sein Herz wurde ordentlich leicht, aber nur auf einen Augenblick; je weiter er die Straße hinunterging, je näher er dem Hause kam, so schwerer ward es wieder.
Er hätte auch sein Wort gehalten, was er sich selbst gegeben, nicht, wie wohl Andere in gleicher Herzensangst thun, ein paar Mal vor dem Hause vorüberzugehen, bis der Muth ihnen kommt. Nein, er wäre gleich das erste Mal eingetreten, wäre nicht der Mops gewesen. Was es nun war, ob er in etwas getreten, was Joly verdroß, ob eine angeborene Idiosynkrasie in dem Thiere gegen den Menschen lebte, genug, ein kleiner hässlicher fetter Mops klaffte ihn an. Als er sich des Störenfrieds entledigen wollte, machte er das Uebel nur ärger, der Tritt fiel wider Willen so unglücklich aus, daß das Thier, von der Stiefelspitze gehoben, winselnd auf das Pflaster fiel. Ein Dienstmädchen oder ein paar erhoben ein Zetergeschrei mit dem Hunde um die Wette. Natürlich über die Barbarei, ein armes Thier so grausam zu malträtiren! Nun war einmal etwas versehen, und Fehler hecken mehr als gute Thaten. Als er die Straße wieder heraufkam, waren zwar Mops und Mädchen verschwunden, aber die Equipage der Fürstin Gargazin stand vor der Thür. Er war muthig eingetreten. Von der Treppe kam ihm die Fürstin entgegen. Sie fuhr verwundert zurück: »Wirklich Sie! Nun, in der That, das nenne ich Muth.« Er hatte sich verbeugt, er war muthig geblieben. Sie war verschwunden. Auf der halben Treppe begegnete ihm der Legationsrath. Als Wandel ihn erblickt, blieb er stehen, lüftete etwas den Hut und öffnete den Mund, um – doch zu schweigen. Aber als Dohleneck auf der nächsten Stufe war, hörte er seinen Namen: »Was soll's?« »Mein Herr Rittmeister,« sagte Wandel, »ich hege nicht die Anmaßung zu glauben, daß Sie in mir einige Theilnahme für Sie vermuthen, indeß erlauben Sie die Frage: Wollen Sie zur Frau Baronin!« »Wenn es Sie nicht inkommodirt,« hatte Dohleneck erwidert. »So vergönnen Sie mir wenigstens die Bitte, zu bedenken, welchem Empfang Sie sich aussetzen. Ihro Erlaucht, die Fürstin, muß Ihnen ja begegnet sein; sollte sie nichts gesagt haben? Sie sind der Herr Ihrer Handlungen!« verbeugte sich der Legationsrath. »Aber« – setzte er mit unterdrückter Stimme hinzu – »ich glaube eben so wenig, daß Herr von Dohleneck das arme Thier auf der Straße mit Absicht mißhandeln konnte, als ich glauben mag, daß ein Kavalier von Ihrem Herzen und Ihrer Ritterlichkeit ein Vergnügen daran finden kann, eine unglückliche Frau, die in Thränen sitzt, noch unglücklicher zu machen.« Und noch blieb der Rittmeister muthig. Die Klingel hielt er in der Hand, als ein Hundegeklaff vor die Thür stürzt. Das war der Hund des Aubry, die Kraniche des Ibycus. »New, mein Joly, der hässliche Mensch, der soll dir nicht wieder was thun,« hörte er die Stimme des Kammermädchens. – Er hatte nicht geklingelt; er war wieder auf der Straße. Joly knurrte hinter ihm am Fenster.
Und seitdem hörte der Rittmeister, wo er die Augen schloß, den Mops knurren und die Baronin weinen. »Alles um Dich!« – Er hatte wohl daran gedacht, sich in eine andre Garnison versetzen zu lassen; aber seine Schulden und seine Ehre! Nun kam ein tröstender Engel. Der Krieg befreit einen Militär von den Verfolgungen seiner Gläubiger und einen Liebenden von denen seiner Phantasie. Zu dieser trostreichen Ueberzeugung war der Rittmeister Stier
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