Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Lach-Chor. Aber die Einen griffen nach dem Zeitungsblatt, die Andern machten eine ernste Miene: »Cornet, keinen Spaß mit dem Mann! Der reiche van Asten aus der Spandauerstraße, der mit dem Minister *** unter einer Decke steckt!«
Die Ernennung stand nicht im Blatt, dafür ein paar Dutzend andere, wie jede Zeitungsnummer sie in diesen Tagen brachte. Auch fingen unter den Annoncen schon die Abschiedsworte an, welche Offiziere, Wundärzte und Beamte an ihre Freunde und Bekannte in den eben verlassenen Garnisonen richteten; auch Nachrufe und Danksagungen ganzer Städte an die abziehenden Garnisonen und deren Offiziere. »Wenn das kein Beweis ist, daß wir wirklich in den Krieg ziehen!« – »Ehe nicht die Kugeln durch meinen Mantel pfeifen, glaub' ich nicht daran.« – »Ich glaub's auch dann noch nicht« ein Dritter, als ein Vierter durch die Glasthür, die er klirrend aufgerissen, eintrat: »Nu glaub' ich's, Kameraden. Aufs Pferd! aufs Pferd!« – »Du sprangst eben runter!«
»Direkt von Steglitz in Karriere! Habt Ihr nichts gehört? – Vierundzwanzig Kanonen donnerten aus dem hohen Busch, als die Equipagen durch's Dorf schwenkten. Der dicke Stallmeister fiel beinahe von seinem Schimmel. Die Königin sah erschrocken zum Kutschenschlag raus.«
»Possen!«
»Nein, Ernst. 's war aber nicht Bonaparte, nur Beyme! Wenn Beyme Kanonen auffährt, Beyme schießen lässt, da müsst Ihr zugeben, es wird ernst, es geht los.«
»Victoria!« schrieen zehn Stimmen.
»Wenn er nur nicht blind geladen hätte!« rief der Rittmeister und riß die Thür auf. »Man braucht frische Luft. Krieg! Krieg!«
Herr Josty sah am Fenster den Offizieren nach. Er schien die Häupter seiner Lieben zu zählen, aber nicht mit der Zufriedenheit, die auf den Gesichtern der Offiziere strahlte. Was half ihm der Krieg! Er war gewiß ein guter Patriot, aber wie viele können ihm noch immer entrissen werde, an die theure Bande ihn schon lange knüpften. Er schlug ein kleines Büchlein im Winkel auf und schrieb kleine Zahlen zu den Namen. Aber viele kleine Zahlen machen eine große. Herr Josty schüttelte den Kopf und wollte seufzen. Indessen – er besann sich: »Indessen,« sagte er, »es gleicht sich in der Welt Alles aus.« Und auf seinem Gesicht glichen sich auch die Falten aus.
Die Offiziere hatten sich links nach der Schloßfreiheit zerstreut. Nur einer von ihnen, er schien abhanden gekommen, suchte die Freiheit rechts unter den Kolonnaden der Stechbahn. Die Augen auf den Boden, ging er grad aus bis die Mauer ihn erinnerte, daß an der Ecke die Freiheit zu Ende war. Er wollte zur Kolonnade hinaus treten, als aus der Brüderstraße eine elegante Equipage rasch vorüber fuhr. Die Dame darin in Pelz, Hut und Schleier verhüllt, sah ihn nicht, aber der Mops auf dem Rücksitz bellte heftig den Offizier an. Ob die Dame aufmerksam ward, wissen wir nicht, wenn sie sich aber vorbeugte, um nach dem Gegenstand auszuschauen, der den Eifer ihres Hundes verursachte, konnte sie ihn nicht mehr sehen; denn der Rittmeister hatte sich hinter den Pfeiler gelehnt.
Er schien, mit geschlossenen Augen, auf das Rollen der Räder zu hören, bis es unter dem Klappern der Werderschen Mühlen verrollte. Dann riß er sich auf, machte sich durch einen schweren Athemzug Luft und – wollte auch ins Freie, in den Thiergarten. Es mussten wunderbare Dinge im Rittmeister Stier von Dohleneck vorgegangen sein. Er freute sich auf einen Spaziergang in den stillen, einsamen Alleen des Thiergartens. Er hatte seinen Plan gemacht: links durch die Buschpartien an den Zelten vorbei, nach dem Poetensteig. Da traf er gewiß Niemand.
Aber – wenn nur die Aber nicht wären, als er an der Konditorei vorüberging, öffnete Herr Josty freundlich die Thür. Er glaubte der Gast wolle zurückkehren. Solchen Glauben darf ein Kavalier nicht täuschen. Einen Schritt war er schon vorbei, es kostete also nur einen zurück, und er stand wieder in dem traulichen, gemüthlichen Lokal. Es war ja auch da einsam geworden. Als Herr Josty die Thür verbindlich schloß, hatte er wieder ein Haupt seiner Lieben in seinen Mauern.
Einundvierzigstes Kapitel.
Von Möpsen und Wechseln.
Aber der Rittmeister wollte ganz einsam sein. Im Vorzimmer saß noch der alte van Asten und schien zu rechnen oder sprach leise mit einer andern in Berlin wohlbekannten Person, dem Herrn Auktions-Kommissarius Manteufel, der sich über den Tisch zu ihm lehnte, um auf die Fragen des Kaufmanns Antwort zu geben. Dem
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