Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
aber Durchlauch befehlen, wird sie sich sogleich zurecht machen und hier erscheinen.«
»Was das Fräulein will, muß geschehen,« erwiderte die Fürstin rasch. »Man sollte doch jetzt meinen Willen kennen, daß sie nur ihren Wunsch zu äußern braucht, und meine Domestiken haben zu gehorchen. Ist schon angespannt?« – »Zu Befehl, Erlaucht.« – »Da muß ich einen Augenblick zu dem lieben Kinde. Verzeihung, theuerste Baronin, sie erholt sich so schwer. Ich bin sogleich – meine Gedanken bleiben bei Ihnen.«
Im andern Zimmer begegnete ihr der Legationsrath; »Schnell einen Liebesdienst. Die Eitelbach drinnen quält mich mit ihrem Liebesleid. Das ist Ihre Sache. Machen Sie ihr bald ein Ende, sonst – ich weiß nicht, was ich thäte, wenn Sie nicht im Spiele wären.« – »Empfinden Erlaucht denn gar keinen Beruf, sich der gequälten Schönen anzunehmen?« – »An langweiligen Menschen hatte ich heute schon genug. Vater und Mutter waren hier, denken Sie, eine Stunde lang! Diese Dankadressen im Kanzleistil, diese bürgerlichen Rührungsgefühle in der Sonntagshaube, der ganze Iffland, Kotzebue und Krähwinkel in meinem Hause. Ich möchte doch um solcher Leute willen keine Migräne bekommen; aber jetzt erbarmen sie sich meiner.« – »
Tu l'as voulu, George Dandin!
sagt Moli
è
re,« sprach der Legationsrath, sich verneigend. –
»Et je le veux, Monsieur le conseiller!«
– »Was denkt Prinz Louis, Erlaucht?« – »Ob der Champagner oder der Rheinstrom eher in die Lethe fließt.« – »Leider flüstern seine Freunde, daß er schon den nächsten Weg auf dem Jamaikanischen Feuerstrom Rum dahin sucht.« – »Der Unglückliche!«
Sie schien die eben gegebene Anweisung an den Legationsrath auf die Eitelbach eben so vergessen zu haben, als sie an der Ecke eines Divans Platz nahm. Ein ernster Zug flog über die Seidenwimpern, die sich geschlossen hatten, wie erschreckt vor einem Bilde. – »Vielleicht der letzte Held unter Diesen! – Warum fand er nicht den rechten Weg! – Das ist es nicht. Aber, Wandel, erklären Sie mir's, es ist etwas Niederdrückendes, Entmuthigendes, daß gerade dieser Einzige in der großen Misere, diese Feuerseele unter den Nachtvögeln, wie ein losgerissener Stern aus dem Firmament in einen Sumpf stürzen muß!« – »Sie sprachen es aus, Gnädigste, weil Alles versumpft ist!« – »Und Sie sprachen etwas aus, was Sie nicht verstehen, nicht verstehen wollten. – Ich fühlte mich so andächtig gestimmt. Der arme Prinz! Seit die Abberufung des englischen Gesandten bekannt ist, soll er sich in einen erschütternden Zustand befinden.« – »Es befinden sich auch andere, die nicht Prinzen sind, in unangenehmer Lage. Mehr als hundert preußische Schiffe sind bereits von den Engländern gekapert. Dem Handel wird dieser theure Frieden theuer zu stehen kommen.« – »Diese Krämerseelen verdienen es,« rief die Fürstin. »Es war ja ihr stiller Wunsch. Wenn Krämer, Kinder und Narren über ein Land regieren, wehe ihm!«
Es war ein neues Changement in der Fürstin eingetreten; sie fühlte sich zum politischen Disput gestimmt. Wandel kannte die Lineamente in ihrem Gesicht, welche den Wechsel und welche Stimmung sie ausdrückten. Er lehnte sich über einen Stuhl, um ihr zu korrespondiren. Vielleicht fand er auch mehr Neigung zu einer politischen Disputation als zu einer sentimentalen mit der Baronin, vielleicht wollte er sich auf diese präpariren.
»Es giebt auch großartige Krämer. Die Engländer werden bei diesem Weltdisput nicht zu kurz kommen.« – »Ich begreife nicht, wie diese hier ohne Schamröthe lesen können, was sie über ihre Politik urtheilen!« rief die Fürstin, in wirklichen Affekt gerathend. »Diese Noten, die Herr von Reden für Hannover in Regensburg, Ompteda eben in Berlin übergab! Herr Fox hat im Parlamente gedonnert. Ich habe eine solche Sprache nie gehört.« – »Noten sind Worte auf Papier geschrieben, Erlaucht. Sie lesen sie, antworten, und das Resultat ist Papier auf Papier! Gekaperte Schiffe, das ist etwas Anderes.«
Die Fürstin hatte vom Tische eine englische Zeitung genommen. »Durchfliegen Sie diesen Artikel. Mich dünkt, die Worte schneiden schärfer wie Thaten. Der Prinz soll grade darüber außer sich gerathen sein. Die Lippen schäumend, drückte er die Stirn an die Scheibe, daß sie zerbrach.« – »Er wird auch wieder ruhig werden,« sagte Wandel und las: »Nie hat eine Macht heuchlerischer gehandelt und die Gesetze der Treue und des guten
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