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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Kränkungen von ihm absichtlich ausgingen –« »Ist es möglich!« – »Ja, mein Herr Legationsrath, so gewiß, als Sie hier vor mir sitzen.« – »So abscheulich hatte ich ihn mir doch nicht gedacht. Und sieht aus, als könnte er keinem Kinde das Wasser trüben.«
    »Und seine Seele ist so rein, wie der Spiegel eines Sees.« – »Sie sprechen in Räthseln. – Ich, oder vielmehr ein Freund, glaubten letzthin in Ihren Blicken ein stummes Spiel gegenseitiger Verständigung zu entdecken. So kann man sich täuschen!« – »Sie haben sich nicht getäuscht.« – »Das Räthsel wird immer dunkler.« – »Und immer heller in meiner Seele. Ja, weil der edle Mann sah, wie mein Gefühl für ihn heftiger ward, wie ich mich von ihm hinreißen ließ, und weil er mich wahrhaft liebt, darum mit eigner Selbstüberwindung jene Kränkungen und Aergernisse, die mich tief betrübten, um dann mich wieder desto höher zu erheben. Er beleidigte mich, um mich wieder zu mir selbst zu bringen, um mich von meiner Leidenschaft zu heilen. So lebten wir eine lange schmerzliche Weile uns zur gegenseitigen Qual, bis – wir uns verstanden haben. Nun aber haben wir es, und ich bitte es ihm tausendmal im Herzen ab, wie ich ihm Unrecht gethan. Ich glaubte zu leiden, und wie musste er erst leiden, indem er mir und sich zugleich so unaussprechlich wehe that.«
    Wandel, der etwas unaufmerksam gesessen, warf hier einen forschenden Blick auf die Rednerin. Er hatte manches, aber dies gerade nicht erwartet. Die Geschichte interessirte auch ihn nicht mehr besonders, oder er war im Nachsinnen, wie er ihr eine andere Wendung beibringe, um ihr wieder ein Interesse abzugewinnen. Es war die Neugier, wie man in einem empfindsamen Roman plötzlich die Seiten umschlägt, um die Motive eines den Leser überraschenden Sinnesumschlag zu erfahren, mit der er sie rasch fragte: »Und das hat er Ihnen Alles gesagt?« – »Kein Wort.« – »Ah, also die Sympathie der Seelen!« – »Warum senken Sie die Augen?«
    Er musste sich gestehen, daß diese Wendung dem, was die Freunde wollten, am wenigsten entspreche: »Oh, das ist ein Thema,« rief er, »bodenlos, unergründlich.« – »Sie erschrecken ja beinah.« – »Ich! – Erschrak ich? – Ich stellte mir nur vielleicht die Frage, ob es ein Glück ist, in der Seele des Andern lesen zu können? Oder nicht vielmehr ein Unglück? Fragen Sie sich einmal, ganz aufrichtig, die Hand aufs Herz. Würden Sie wünschen, daß ein Andrer Ihre Gedanken läse wie ein offenes Blatt?«
    Er hatte ihre Hand ergriffen und legte sie sanft an ihr Herz. Sie ließ es geschehen, und sah ihm klar in die Augen. Ohne alle Bewegung sprach sie mit heller Stimme: »Ja, es könnte Jeder lesen.« – »Auch der Baron, Ihr Gemahl?« – »Jetzt erst recht. – Im Anfang schoß es mir da über den Kopf. Nachher ward ich zuweilen stutzig, ich schämte mich, wenn Der und Jener mir jetzt ins Herz sähe, und ich gab mir Mühe, daß ich's mir anders zurecht legte und rechtfertigte, aber nun habe ich's nicht nöthig. Da fiel mir wieder ein, was mal der Prediger sagte: Jedes guten Menschen Herz muß so zugerichtet sein wie ein Glasschrank. Darin verbirgt man nichts, und wer in die Stube tritt, sieht es.« – »Der gute Prediger unterließ nur hinzuzusetzen, meine Freundin, daß wir nicht Jeden in unsre Stube lassen. Die Stube verschließen wir, und der Glasschrank steht nur offen für unsere Freunde, für die, welche wir geprüft, die täglich Zutritt haben. Ja, die mögen hineinschauen, und sich der Dinge freuen, die uns erfreuen.« – »Ach, ich weiß Jemand, der würde sich zuknöpfen, wenn man ihm ins Herz sehen wollte!« – »Wer ist das?« Wandel schien über diese Wendung des Gesprächs noch weniger erfreut. – »Sie sind ein guter Mensch, Herr von Wandel, aber voller Finten. Reden Sie sich ja nicht aus, ich weiß es.«
    Er hatte ihre schöne Hand, die über der Divanlehne lag, erfasst und drückte sie sanft an die Lippen. »Könnten Sie in dies Herz schauen!« sprach er seufzend. »Finten nennt es meine Freundin. Immerhin! Finten sind Spitzen, aber es sind blutende Spitzen, Dolchstiche, Dornen, die Andere hinein gedrückt. Da ist der einzige, aber ein süßer Trost, daß um diese Dornen Rosen blühten.«
    Sie hatte die Hand ruhig seinen Küssen überlassen, und schien verwundert, als er plötzlich aufstand und den Stuhl wegsetzte.
    »Wohin wollen Sie denn?« – »Nach dem Lande wo keine Rosen blühen.« – »Jetzt doch nicht gleich?« –

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