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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Niemand etwas einzuwenden haben.«
    »Incorrigibler!« sagte die Fürstin und gab ihm einen leichten Schlag mit dem ausgezogenen Handschuh, um doch sinnend wieder vor sich niederzublicken: »Und doch, wäre es ein Wesen von Fleisch und Blut, dieses Preußen, ich könnte es beneiden um die Empfindung. So zerknirscht in Demuth niederzufallen in den Staub, an die Brust zu schlagen und zum Herrn zu rufen: Strafe mich um meinen Dünkel und meine Ueberhebung. Das sind die Früchte meiner Saaten, daß ich mich auflehnte gegen Deine Satzung! – Ach nein, sie kennen nicht die Wollust der Demuth und Zerknirschung, sie sind alle noch aus Friedrichs Schule, schlechte Schulknaben, sie beten nicht den Herrn, nur ihren Witz an, und sein Gespenst seh ich umherschleichen – das muß eine furchtbare – die fürchterlichste Strafe des Himmels sein: so sein Werk zertrümmert, seine Schöpfung verhöhnt, sein Geist zum Pasquill – und Keiner den Muth, in ihrer Erniedrigung die Arme zu erheben: Herr, erbarme Dich unser!«
    Herr von Wandel kannte die Fürstin – auch ihre temporellen Visionen. Sie genirten ihn nicht. Die liebenswürdige Frau liebte nicht die Gêne. Er wartete in Geduld, bis der Paroxysmus vorüber war; er brauchte nicht lange zu warten.
    »Nun an Ihr Geschäft,« sprach sie. »Wie lange lassen Sie die arme Eitelbach warten!« – »O, dies hat Zeit!« – »Sie würden einen guten Marterknecht abgeben.« – »Ich weiß in der That noch nicht, was ich mit ihr reden soll.« – »Wenn Sie nur Die persifliren können, die Sie vorgeben zu lieben, so versuchen Sie es einmal, sich in die Baronin zu verlieben. Ich erlaube es Ihnen.« – »Der Rath ist nicht so übel!« sagte der Legationsrath und verneigte sich tief. »Mit meiner gnädigen Freundin Erlaubniß will ich wenigstens den Versuch machen.«
    Die Fürstin hörte es nicht mehr, sie warf am Fenster der abfahrenden Adelheid Abschiedsgrüße zu.
    »Unter Heiligenbildern eine Heilige!« rief der Legationsrath der Baronin entgegen.
    »Wissen Sie, was mein Mann von Ihnen sagt?« replicirte die Baronin. »Wie heilig Sie auch aussähen, Sie wären ein Pfiffikus, und er möchte mit Ihnen keine Geschäfte machen.« – »Warum sollte er theilen! Er macht für sich allein die besten.« – »Ihnen traute er nicht über den Weg, meinte er neulich.«
    Der Legationsrath zuckte lächelnd die Achseln: »Was konnte ich dafür, daß aus der Mäntelgeschichte nichts ward. Meine Absichten waren die besten, meine Demarchen gut, es stieß sich an andern Dingen. – Ja, theuerste Freundin, wie viel ist damit ausgesprochen! Unser Wille mag noch so rein sein, wir thun alles, was wir können, der Himmel selbst scheint uns zu winken, und es wird doch nichts draus. Das ist der unerforschliche Organismus jener höheren Sphärenkreise, in die unser Auge vergebens zu dringen sucht. Darin finde ich aber eben den merkwürdigen Unterschied zwischen Ihrem und unserm Geschlecht, ich meine zwischen den Erwählten. Während wir noch immer titanisch nach dem Unmöglichen ringen, findet das edle Weib schon in der Entsagung den höhern Trost. Da erst verklärt sich ihre Liebe zu derjenigen, welche nicht besitzen, nur beglücken will; selbst beglückt, wenn sie den geliebten Gegenstand glücklich sieht in der Liebe zu einer Andern.«
    Der Legationsrath schien unwillkürlich mit dem Taschentuch über seine Augen zu fahren. Die Baronin sah ihn aber sehr scharf an: »Was meinen Sie denn damit? Denn das habe ich Ihnen auch abgemerkt, Sie sagen nichts ohne Absicht.« – »Meine Freundin wird aber darin mit mir einig sein, daß es unter zartfühlenden Seelen besser ist, über gewisse Interessen nur andeutend wegzugehen, als sie auszusprechen. Wer heilende Wunden muthwillig aufreißt, wird zum Selbstmörder.«
    Die Baronin sah ihn so klar an, daß Wandel seine Augen einen Moment niederschlug: »Manche Wunde thut auch wohl, wenn man weiß, daß, der sie schlug, es in guter Absicht that. Sie sind nicht Dohlenecks Freund, leugnen Sie's nur nicht; ich weiß es –« »Mir ist er eigentlich ganz indifferent, meine Freundin. Wenn er feindliche Gefühle gegen mich hegt, so sind sie ihm wahrscheinlich vom jungen Bovillard beigebracht.« – »Sie meinen auch, wie die Andern, daß es nur Mißverständnisse sind?« – »Von dem, was die Leute sprechen, lass' ich mich nie bestimmen.« – »Ja, es ist ein Mißverständniß,« sprach sie mit gen Himmel erhobenen Blicken. »Es war kein Zufall, ich weiß, daß alle die

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