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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Fenster geflogen. Es galt aber weder der Schick noch der Unzelmann, sondern den Franzosen und Napoleon. Man hatte sich in einen Harnisch getrunken, gesungen und votirt. Beim weiten Wege durch den nächtlichen Thiergarten war der Rausch nicht verraucht, vielleicht hatte der Anblick der Viktoria auf dem Brandenburger Thore ihn noch erhöht. Die Kühnsten vorauf waren als Sieger durchgesprengt. Wo es beschlossen worden, ob hier erst, oder schon in Charlottenburg, weiß man nicht. Plötzlich war man abgesessen und nach dem Hotel des französischen Gesandten gezogen. Der eigentliche Hergang ward verschieden erzählt, man hatte Ursache, die Sache zu vertuschen. Ob man Spottweisen angestimmt, was man schrie, welche Reden man sich gegen den Bevollmächtigten des französischen Kaisers erlaubt, blieb unausgemacht, aber junge Offiziere hatten ihre Säbel gezogen, und auf den Treppenstufen zum Hotel gewetzt. Es konnte im Dunkeln geschehen. Weder die Sterne am Himmel, noch die spärliche Straßenbeleuchtung machten die Uebermüthigen kenntlich. Aber plötzlich, wie durch einen Zauberschlag, wurde es im Hotel hell. Die Fenster, von denen man die Läden fortriß, glänzten von so schnell angezündeten Kerzen, daß die Vermuthung wenigstens da war, der Ambassadeur habe, wie von Allem, auch von diesem Impromptu Witterung gehabt. Symbol für Symbol. Wir kündigen den Frieden, rief der Klang; ich nehme die Kündigung an, antwortete der Lichterschein. Uebrigens blieb es todtenstill im Haus, kein Kopf zeigte sich an den Fenstern.
    Die älteren und besonneneren Offiziere waren bei dieser unheimlichen Manifestation zurückgesprungen, und hüllten sich in ihre Mäntel. Nur einige jüngere, in denen der Wein glühte, waren durch den Lichtschein, auch wohl durch die Akklamationen des Straßenpublikums, das sich in immer dichteren Schaaren sammelte, noch mehr entzündet. Aber während ihre geschwungenen Pallasche funkelten, vernahmen Andere schon deutlich Hufschlag und in der Scheide klirrende Säbel. War auch hier ein Verrath, eine Denunziation, eine geheime Sympathie im Spiele? Die Thatsache war, im Gouvernementsgebäude musste der Feldmarschall Möllendorf, oder wer ihn vertrat, wach gewesen sein, denn Husaren und Polizeidiener sprengten heran, um dem Unfug zu steuern, die Thäter zu ergreifen.
    Der Lärm wuchs. Die sympathisirenden Zuschauer bildeten noch einen Wall gegen die andringende Polizeimacht. Unter den besonnenen Theilnehmern an dem Abenteuer war die Gewissensfrage, ob sie für ihre Personen sich ins Dunkel salviren, und die jüngern Unbesonnenen, die nichts von der Gefahr ahnten, ihrem Schicksal überlassen sollten, oder ob ihre Pflicht erheische, sie mit ihnen zu theilen? Bei einem Rittmeister, den mittleren Jahren näher als denen der Jugend, war der Entschluß schnell zum Durchbruch gekommen, denn aus dem Dunkel der Bäume, wo er sich den Mantel schon fest umgeknöpft, sprang er plötzlich zurück, umfasste einen jüngern Offizier, der eben mit seiner Degenspitze eine Scheibe im Fenster des Erdgeschosses berührte – in welcher Absicht, wusste der junge Mensch nachher selbst nicht – und mit den Worten: »Fritz, bist Du toll?« schleuderte oder riß der starke Mann ihn zurück. Fritz schrie Worte, die vor jedem Gericht als Landesverrath gelten mussten, der Rittmeister küsste sie ihm von den Lippen: »Ja, Fritz, wenn's losgeht, schlagen wir ihn mit einander todt. Du nicht allein. Fritz, Respect, ich bin Dein Onkel, Dein Chef, ich schlage mit. Aber jetzt, Ordre parirt! – Mäuschenstill!« Damit hatte er den eigenen Mantel losgerissen und um die Schultern des Neffen geknüpft. Der Neffe parirte auch, er schulterte, ein Gliedermann, aber in der Hand den blanken Degen. – »Platz! Platz!« riefen die Polizeimänner. – »Retten Sie sich!« riefen viele Stimmen aus den Gruppen; die Gruppen machten diesmal Partei mit Offizieren und Junkern, deren Uebermuth so oft doch ihre lauten Aeußerungen des Unwillens hervorgerufen hatte. Der Rittmeister hatte rasch den Pallasch seinem Neffen aus der Hand gerissen und ebenso rasch hatten wohlmeinende Bürger den jungen Offizier untergefasst und ins Gedränge geführt. Er war gerettet, aber sein Retter – in der leuchtenden Uniform, den blanken Degen in der Hand! »Da steht er!« rief der Kommandirende der Patrouille und meinte wohl damit denjenigen, den die Reiter schon von fern gesehen, mit der Degenspitze an den Fenstern klirren. »Platz! Platz!« Der Platz aber war gerade das, was

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