Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
Vom Netzwerk:
fehlte und wo er noch war, trat die hülfreiche Straßenjugend ein, ihn zu versperren. Es war von je in ihrer Art, die Polizei zu necken, und wir verschwören nicht, daß sie der Patrouille falsche Weisung gab, um ihren Eifer vom gesuchten Ziele abzulenken.
    Aber auch der Rittmeister fühlte sich plötzlich von einem Mann unter den Arm gefasst und fortgerissen. »Eilen Sie, schnell dort um die Ecke!« rief eine ihm nicht unbekannte Stimme. Als sie um die Ecke waren, und der Offizier einen Augenblick Athem schöpfte, erkannte er wohl in dem Dienstbeflissenen den Sohn seines Freundes van Asten, der nur einen andern ihm früher erzeigten Dienst vergolten hatte; es überkamen ihn aber andre Empfindungen, als die des Dankgefühls, indem er den Schweiß von der Stirn wischte. »Ein Offizier darf doch nicht Reißaus nehmen!«
    »Nicht vor dem Feinde,« entgegnete Walter, »aber vor einem Skandal. Schnell fort, bester Herr von Dohleneck.«
    Der Herr von Dohleneck, der, wenn auch nicht so viel als sein Neffe, doch auch viel des süßen Weines getrunken hatte, erhob den blanken Degen in die Luft: »Stehen oder fallen!«
    »Gegen die Franzosen, Rittmeister, nicht gegen die Polizei.«
    Er zog ihn weiter. Aber der Rittmeister blieb wieder stehen. Er lehnte sich an einen Brunnen. »Das ist ja eine verfluchte Geschichte –« »Die noch übler werden kann. Eine Verhöhnung des Gesandten, eine Verletzung des Völkerrechtes. Um Gotteswillen kommen Sie, schnell – weiter. – Werfen Sie den Degen fort!« – »Ein Stier von Dohleneck seinen Degen fortwerfen! – Wer sagt das!« – »Es ist ja nicht Ihr Degen. Ein fremder Pallasch, den Sie einem Ruhestörer aus der Hand rissen. Ihr Degen steckt ruhig in der Scheide. – Ich will's bezeugen, wenn's zum Schlimmsten kommt. Sie wollten nur Ordnung herstellen, Sie haben Ihren Degen nicht gewetzt. – Aber es darf nicht zum Schlimmen kommen. Es könnte sehr schlimm werden, außerordentlich schlimm, Herr von Dohleneck.«
    »Hol' mich der und jener, das ist grade eine Geschichte wie damals bei der Schlittenfahrt –« »Schlimmer,« drängte Walter; »damals profanirten Sie Luther, der es Ihnen gewiß vergeben hat, heut Bonaparte, der es nie vergiebt, nicht Ihnen, nicht uns, nicht dem Könige.« – »Der König auch nicht!« rief der Rittmeister. »Ach Gott, ich bin ja Katharina von Bora.« – »Besinnen Sie sich.« – »Nein – richtig – ich war nur ihr Kammermädchen. Das ist alles eins. Wenn er's erfährt, bin ich kassirt.« – »Theuerster Herr von Dohleneck, ich wünschte, die Weihe der Kraft überkäme Sie, und Sie beschleunigten Ihre Schritte.«
    Dabei blickte sich Walter um, ob nicht irgendwo eine Hausthür sich öffne, in die er seinen Begleiter schieben könnte. Aber es war einige ruhige Straße, man hatte mit der Bürgerglocke geschlossen. Nur an den erhellten obern Fenstern blickten Neugierige heraus. Es war nicht der aufsteigende Weingeist, der schwarze Bilder vor Dohlenecks Hirn malte. Jene berüchtigte Schlittenfahrt der Gensdarmen-Offiziere, in der sie Luther, Katharina von Bora und deren Klosterkonviktualinnen in sehr frivoler Nebenbedeutung dargestellt, ein Ereigniß, das ganz Berlin in Aufruhr gebracht, hatte den langmüthigsten König aufs Empfindlichste gereizt: sein eigner Wille war diesmal durchgedrungen, und wenn die Thäter auch nicht so gestraft wurden, wie er für angemessen hielt, wurden doch die Urheber des Unfugs gestraft, seit langer Zeit ein Ereigniß, was noch mehr überraschte, noch mehr von sich sprechen machte, als der tolle Streich selbst. Er brauchte nicht der Erklärung, die man versucht hatte, daß dieser oder jener Minister, oder ihre Frauen, eine Pique gegen einen oder den andern der Offiziere gehabt, es war der religiöse Sinn des Monarchen, der die Profanationen rächte. Man wusste auch schon, daß er derartige Kränkungen nicht vergaß, und Die, welche damals der Strafe entgangen waren, blieben doch in seinem vortrefflichen Gedächtniß notirt.
    Da rollte eine Equipage vorüber, von links und rechts, von beiden Seiten der Straße zeigten sich berittene Piquets. Das Halt! welches Walter dem Kutscher zurief, hatte eine glückliche Wirkung. Das war ein Moment. Im zweiten hatte er den Kutschenschlag aufgerissen. Es saß nur eine Dame darin. Walter rief hinein: »Wer Sie auch sind, es gilt, einen Verfolgten retten. Kein Widerspruch, kein Laut!«
    Man wird sich nicht wundern, wenn die Dame, trotz des kategorischen Befehls, ihm nicht ganz nachkam,

Weitere Kostenlose Bücher