Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
nicht die Person des Monarchen aus der Sache lassen?«
»Wir leben nicht in England. – Wir leben in Preußen, wo der Monarch mit dem Volke identisch ist. Es scheint eine Anomalie, aber es ist eine Wahrheit. Wehe ihm und dem Volke, wenn es nur ein Schein werden könnte. Wo ein Fürst diese abnorme Stellung hat, wo der Kopf sich eins fühlt mit dem Körper, muß er auch das vertragen können, was die anderen Glieder. Preußens König ist so wenig ein Kaiser Karl und König Artus, die als Pagoden dasitzen, drei Köpfe höher als ihre Tafelrunde, als er ein Fürst ist, dem die Konstitution ein glänzendes Altentheil angewiesen hat. Er ist nur der er ist, indem er eine Partikel seines Volkes ist. Exceptionell, ja, ja, durchaus exceptionell, aber so ist's. Wir dürfen's nie aus dem Auge lassen. Er muß empfinden wie wir – das Streicheln und die Schläge. Man muß ihn anfassen können, schütteln ein wenig, ein derbes Wort sagen. Verträgt er es nicht – doch weiter, weiter!« – »Nun folgen die subjektiven Gründe. ›Wer hat dies unbedingte königliche Vertrauen? Beyme und Lombard, von ihnen ganz abhängig Haugwitz. Jener – guter Jurist, ward übermüthig, absprechend, korrumpirt – Verbindung mit Lombard untergrub seine Sittenreinheit – gemeine Aufgeblasenheit seiner –‹«
Der Minister wehte mit der Hand. »Die Frauen mögen jetzt fortbleiben.«
»Wahrscheinlich auch die folgende Charakteristik: ›Physisch und moralisch gleich gelähmt und abgestumpft. Seine Kenntnisse französische Schöngeisterei. Ernsthafte Wissenschaften haben diesen frivolen Menschen nie beschäftigt, frühzeitige Theilnahme an den Orgien der Rietzischen Familie sein moralisches Gefühl erstickt.‹ Soll das auch bleiben?« – »Weiter!« – ›In den unreinen und schwachen Händen eines französischen Dichterlings von niederer Herkunft, eines Roués, der seine Zeit im Umgang mit leeren Menschen, mit Spiel und Polissonnerien vergeudet, ist die Leitung der diplomatischen Verhältnisse, und in einer Periode, die in der neuern Staatengeschichte nicht ihres Gleichen findet.‹ »Auch das?« – »Ist's nicht wahr?« – »Aber wozu der Vorwurf niederer Herkunft?« – »Das verstehen Sie nicht.« Der Minister war aufgesprungen. »Brüstet er sich nicht selbst bei jeder Gelegenheit, daß er der Sohn eines Perrückenmachers ist! Ein Skandal! eine Verworfenheit ohne Gleichen. – Ja, wenn sie den Adel nicht systematisch zu Lakaien depravirt hätten, es stände anders. – Ihnen geschieht recht. – Laß sie an der Frucht ihrer Schuld nagen.«
»Das folgende, persönlich gegen den Minister Gerichtete ist schon so oft gesagt –« »Kann aber nicht oft genug wiederholt werden.« Walter las mit Zaudern: ›Sein Leben eine ununterbrochene Folge von Verschrobenheiten oder Aeußerungen von Verderbtheiten. Sein Urtheil seicht und unkräftig, sein Betragen süßlich und geschmeidig. – Als Gelehrter Phantast – dann Mystiker aus Liederlichkeit – Geisterseher aus Mode – Herrenhuter aus Bequemlichkeit – verschwendet die dem Staate gehörige Zeit am Lhombretisch. Abgestumpfter Wollüstling, gebrandmarkt im Publikum mit dem Namen eines listigen Verräthers seiner täglichen Gesellschafter und eines Mannes ohne Wahrheit und Wahrhaftigkeit.‹
Walter hielt inne und blickte auf den Minister.
»War's eine zu schwere Aufgabe für Ihre Feder?« – »Ich frage mich nur, ob dieser persönliche Angriff nothwendig ist?« – »Man muß Personen ändern, wenn man Maßregeln will, habe ich Ihnen diktirt. Man muß die Personen niederschlagen, daß sie das Aufstehen vergessen, wenn sie zur Vordertreppe hinabgeworfen, auf der Hintertreppe immer wiederkommen. Man muß sie zertreten, tödten, vernichten, wenn mit ihnen die Maßregeln unmöglich sind. Schonung aus Mitleid wird Verbrechen.«
»Wenn wir auf den Erfolg rechnen können! Seine Majestät erwiderten auf das erste Memorial, worin Excellenz auf Aenderung des Kabinets drangen: Sie wünschten nur, daß man Ihnen Beweise der Verrätherei dieser Leute gäbe, so würden Sie keinen Anstand nehmen sie zu entfernen. Die Beweise – sagt wenigstens das Publikum – liegen seitdem zu Tage – und –«
»Es bleibt Alles, wie es gewesen. – Und das, Herr, soll uns bestimmen, nicht unsere Pflicht zu thun? Nicht zu rütteln an den faulen Aesten, so lange wir Mark in den Gliedern haben, nicht zu schreien, rufen, warnen, so lange wir Athem haben und man uns nicht den Mund verbindet. Wie?«
»Ich schweige
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