Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
denn welche Dame in gleicher Lage mit der Baronin Eitelbach erschräke nicht, wenn auf solche Anmeldung ein Offizier mit blankem Degen ohne ein Wort, ohne einen Laut zu ihr in den Wagen springt. Sie schrie auf: »Herr Jesus, was ist das!« – Das folgende: »Er bringt mich um!« erstickte aber schon auf ihren Lippen, als von denen des Offiziers unter einem schweren Seufzer zuerst ein Fluch hervorbrach, dann die Worte: »Ich kann nicht dafür!« Sie mochte die Stimme früher erkannt haben als den Mann, der auf den Rücksitz – halb sank er hin, halb warf er sich. Der Degen rollte aus seiner Hand. Die Baronin fing ihn auf; er war scharf – natürlich er war gewetzt, und an den Sandsteinstufen des französischen Gesandten! – und sie verwundete ihre Finger. – Nach Hause –– das schicken wir hier vorauf – kam sie, die Hand umwunden mit ihrem Battisttuch. Ob sie sich selbst verbunden, ob der Rittmeister den Chirurgen gespielt, darüber schweigen unsre beglaubigten Nachrichten. Das war der zweite Moment gewesen. Im dritten hatte Walter den Wagenschlag zugeworfen und dem Kutscher zugerufen: »Nun zugefahren, was das Zeug hält!« Der Kutscher gehorchte pünktlicher als seine Herrin dem kategorischen Befehl und der Wagen kam unangefochten durch das Polizeipiquet.
Nicht so ganz unangefochten kam Walter selbst davon. Das Husarenpiquet, welches eben um die Ecke schwenkte, als der Wagen abfuhr, schien Miene zu machen, ihm nachzusetzen. Der Kommandirende, welcher unsern Freund zu kennen schien, salutirte ihm schon von fern leicht mit dem Säbel, um die Frage einzuleiten: ob nicht ein Militair in die Kutsche gesprungen sei?
»Der Schlag ward geöffnet,« entgegnete Walter, »und die darin sitzende Dame nahm, wenn ich nicht irre, einen Bekannten auf.«
»Ein Offizier mit blankem Degen?« – »Der Degen, wenn ich recht verstand, war mit den Fensterscheiben des Herrn von Laforest in Berührung gekommen.« – »Kornet Wolfskehl,« rief der eine Husarenoffizier. »Sagt ich's nicht!« – »Ich lasse mich nicht täuschen,« erwiderte der Kommandirende, »das war Dohlenecks Statur. Sie müssen ihn ja kennen, Herr van Asten?« – »Sollte der Rittmeister so jugendlicher Tollheit zugänglich sein! Es war zu dunkel. Aber meine Herren, da entsinne ich mich ja, der Rittmeister war heut zu Exzellenz Schulenburg auf eine Lhombrepartie eingeladen, Exzellenz Blüchers wegen. War Lombard oder Herr Crelinger der Vierte, darüber bin ich nicht recht gewiß, aber – warten Sie, – es wird mir gleich einfallen –« Der Kommandirende lächelte: »Wir danken für den Avis.« – »Kornet Wolfskehl wird wohl zu fangen sein,« meinte der Zweite.
Die Husaren sprengten ihrer vorausgeeilten Patrouille nach. Wir verschwören nicht, daß in ihrer Verhandlung mit dem Ministerialsekretär nicht die wohlmeinende Absicht mitgespielt hat, dem Verfolgten Zeit zu lassen.
Der Wagen der Baronin Eitelbach entging glücklich der Polizei und den Husaren, und als er vor dem Hause der Madame Braunbiegler hielt, war nichts Gefährliches passirt, als daß eine Scheibe im Kutschenschlage – wahrscheinlich durch einen zufälligen Ellenbogenstoß – entzwei gegangen war. Auch hatte sich seltsamer Weise ein Fußgänger, nach einer Verständigung mit dem Kutscher, zu ihm auf den Bock gesetzt. Dieser war, schneller als der Kutscher herab gesprungen, und bereits verschwunden, als letzterer sich langsam herunter machte, um, in Ermangelung eines Bedienten, den Wagen zu öffnen. Ehe das geschah, hatte sich aber die Wagenthür gegenüber schon von selbst geöffnet und der Rittmeister war nach einem langen zärtlichen Kuß auf die Hand der Baronin entschlüpft.
Die Eitelbach war nie so langsam als heute die Treppe zu einer Gesellschaft hinaufgestiegen. Auch im Vorzimmer hatte sie noch so viel mit ihrer Toilette zu thun. Ein Glück, daß die große Gesellschaft, welche sich noch spät bei der Braunbiegler versammelt, mit andern Dingen beschäftigt war, um auf ihre Verlegenheit Acht geben zu können. Diese Verlegenheit hätte sich eigentlich noch um ein Bedeutendes steigern müssen, als die Wirthin ihr mit dem Bedauern entgegen kam, daß sie ihre Hand an der Fensterscheibe verwundet habe, sie hoffe, es werde doch nicht üble Folgen haben. Die Wirthin hatte nicht Zeit, ihr Erröthen zu bemerken, sie hatte überhaupt in dem Gewirr nicht Zeit für einen einzelnen Gast. Auch Andere, die an ihr vorüber streiften, beklagten die schöne Hand. »Es wird aber gewiß nichts
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