Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
in Ehrerbietung vor Eurer Excellenz gerechter Entrüstung.« – »Nein, Sie sollen sprechen, Ihre Meinung sagen, dazu sind Sie hier; darum ließ ich mich in das Gespräch mit Ihnen ein. – Sie meinen, auch diese Denkschrift wird ohne Wirkung bleiben?« – »Man weiß, daß auch der alte General Blücher deshalb vergebens an den König geschrieben hat.«
»Und jetzt werden diese Denkschrift die Prinzen Wilhelm, Heinrich, Louis, Ferdinand, Rüchel und ich unterzeichnen. Damit keiner meiner Freunde mir vorwirft, daß sie in der Hitze und Galle aufs Papier geworfen ist, wird Johannes Müller sie vor der Unterschrift überarbeiten. Wenn solche Namen zusammenklingen, solche Männer die Arme verschlingen, solche Gründe ihm ins Ohr donnern, über welche Zaubermacht müssten diese Wichte gebieten, wenn er widerstehen kann. – Hier ist Müllers Konzept. Er schließt: ›Dieses Kabinet, welches nach und nach zwischen Eure Majestät und das Ministerium sich eingedrungen hat, daß Jedermann weiß, was bei uns geschieht, geschehe nur und allein durch die drei oder vier Männer, hat, besonders in Staatssachen, alles und jedes Vertrauen längst eingebüßt. Ja, Majestät, die öffentliche Stimme redet fürchterlich deutlich und bestimmt von Bestechung.‹«
»So wird er Ihnen entgegnen: Beweis't es! Excellenz, dies eine Wort kann Alles verderben. Können wir, kann irgend Einer den Beweis führen? Ja, die Hand aufs Herz, kann einer dieser Hochgestellten und Gefeierten vor Gott die Betheuerung aussprechen: ich bin fest überzeugt, daß französisches Geld in ihren Taschen klimpert! Haben wir nicht vielmehr die moralische Ueberzeugung, daß sie mehr aus Indolenz, Eitelkeit, Dünkel, aus eigener Ueberhebung, aus Schlaffheit und Faulheit im Denken, sich gegen das Vaterland versündigen, als daß sie wirklich Verbrecher sind!«
Der Minister machte, die Hände auf dem Rücken, die Augen niederschlagend, wieder seine Zimmerpromenade: »Sie mögen Recht haben, Gott hat sie nicht in seinem Zorn erschaffen, nur in seinem Mißmuth: daß, zu unserer Beschämung, auch solches Gewürm herum kriechen muß.« – »Vermöge ihrer zwei Beine müssen sie doch aufrecht gehen, und aufrecht gehend müssen sie die Augen aufschlagen, sie müssen sehen, was vor ihnen ist. In Augenblicken, wo sie aus ihrem wüsten Taumel erwachen, müssen sie auch an den Richterspruch der Nachwelt denken.« – »Was kümmert dies Gesindel die Nachwelt! Den Bauch vollgeschlagen, die Taschen gefüllt, so weit es die Honettität erlaubt, das heißt die Rücksicht vor den Leuten, mit denen sie mal Lhombre spielen können, und nach ihnen die Sündfluth!« – »Das Gefühl für Schimpf und Schande –« »Prallt von den bunten Blechschilden ab, vorausgesetzt, daß sie mit Gehalt, Pensionen, Güterschenkungen gefüttert sind.« – »Excellenz, Lombard sprudelt und spricht jetzt nur Krieg, Lucchesini erklärt laut und offen, es ginge nicht anders, Haugwitz lässt den Kopf hängen –« »Weil sie sich vor'm Pöbel fürchten.« – »Kann der Strahl nicht auch in Ihnen gezündet haben?«
»Noch ein Optimist! Da walte Gott. Pack sie am Kragen und schmeiß sie zur Thür hinaus, so kommen sie zur Hinterthür wieder hereingetänzelt und fragen mit einem süßen Händedruck, es sei doch wohl nicht ernst gemeint gewesen? Wirf ihnen einen Schurken ins Gesicht, so lächeln sie über den liebenswürdigen Scherz. Was ist ein Fußtritt in einen Plunderhaufen! Sie wollen Minister bleiben, Geheimräthe, weiter nichts, und sie haben Recht. Was wären sie, wenn sie es nicht sind!«
»Und wenn denn doch eine innere Röthe der Scham –«
»Wenn die einmal herauskommt, treten sie vor den Spiegel und liebäugeln mit sich wie der Pharisäer. Werfen sich in die Brust, denn was sie vor sich sehen, ist ja ein treuer Diener ihres Königs. Das ist der rechte bequeme Bettelmantel für diese Menschen. Wenn sie etwas Dummes und Schlechtes gemacht, was sie vor Gott und Menschen und sich selbst nicht rechtfertigen können, haben sie es nur als treue Diener ihres Herrn gethan. Alles für ihren König! Mag Land und Volk darüber untergehen, wenn sie nur hinter der Decke der treuen Dienerschaft salvirt sind. Scham in diesen Lakaienseelen! Die sich nicht schämen, ihre eigenen Fehler und Sünden Dem aufzupacken, als dessen Götzendiener sie sich anstellen! Der, den sie als das strahlende Abbild göttlicher Majestät anpreisen, als Kratzbürste zu brauchen, an der ihr Schmutz kleben bleibt! – O dies
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