Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
Vom Netzwerk:
Athemzug schien ihn zu erleichtern und sein Gesicht klärte sich auf. Ehe Fuchsius sich dessen versah, fühlte er sich embrassirt: »Mein theuerster – Sie edler Mann, Ihr Wort ist Leben. Es hat eine Last, eine Angst, eine unbeschreibliche Angst von meinem Herzen gewälzt. Sie war rein, ich bin der Sünder, der das für möglich hielt, der mit seinem heillosen Argwohn – o Gott, ich weiß nicht, was ich rede – Dank, tausend Mal Dank, sie ist gerettet –« »Gemach, mein Herr!« – »Sie ist für mich gerettet. Um das Uebrige kümmere ich mich nicht.« – »Es bleibt, dünkt mich, noch viel übrig.« – »Das Andre, ich bitte Sie – nicht wahr, sie soll auch ihren Hausknecht vergiftet haben, und ihren Mann mit Bücherstaub, und ein Attentat mit Trüffelwürsten, die sie ihrem Schwager Lupinus schickte. Erlauben Sie mir, daß ich darüber lache. Nach einer so ernsthaften Stunde fühlt man zuweilen das Bedürfniß. Nun inquiriren Sie, Liebster, so viel Sie wollen, wenn Sie mir nur sagen, sie hat keine Kinder vergiftet –« »Das sagte ich nicht unbedingt.« – »Bedingt oder unbedingt, mir gleich viel.« – »Man hat eine Substanz gefunden –« »Die wie Arsenik aussieht. Liebster Fuchsius, ich will Ihnen etwas zugeben, ich will sehr viel zugeben, es ist Arsenik. O es ist zum Todtlachen! In den Bücherstaub soll sie ihn gemischt haben! Nicht wahr? Da muß sie ihn vorher im Mörser stampfen, reiben, ausschütten, in ein Behältniß, eine Schachtel füllen, damit gar nichts vorbeifällt; dann muß sie es in eine Streusandbüchse thun und nun in die Stube schütten, schwenken, sprengen. Erlauben Sie mir, wenn das die Frau vermochte, ohne sich selbst zu vergiften, verdiente sie ein Prämium der Akademieen.«
    »Der Staub auf seinen Lieblingsbüchern ist untersucht und Hermbstädt hat Arsenik darin gefunden.«
    »Der gute Hermbstädt! Verstehen Sie mich recht, ich zweifle gar nicht daran, ich wundre mich nur, daß Hermbstädt ihn gefunden hat. Ich will ihn finden, wo Sie wollen: da hier im alten Lederrücken des Stuhls, in Ihren Pantoffeln, Arsenik ist überall, selbst in Ihrem Blute. Es kommt nur darauf an, ihn zu sekretiren. Da rufen Sie mich, Theuerster, wenn Sie die Untersuchung nicht aufgeben, und Sie sollen das Wunder sehen, aus seinen schweinsledernen Folianten will ich, vor Ihren Augen, so viel Arsenikstaub entwickeln, um das ganze Kammergericht vom Präsidenten bis zum letzten Nuntius, damit zu vergeben. Da würden manche Leute triumphiren, die immer gesagt, daß in den Büchern Gift steckt! –
Au revoir!
«
    »Aber im Magen des Dieners stak positiv ein starker Arseniksatz. Wie erklären Sie das?«
    Wandel verbeugte sich: »Gar nicht; wo das Märchen anfängt, kriecht die Vernunft in ihr Schneckenhaus. Wenn der Märchendichter ein Motiv erfindet, warum die Lupinus ihren Hausknecht vergiften musste, um ihn los zu werden, wo es ganz einfach bei ihr stand, ihn fortzujagen, wenn er ihr nicht mehr gefiel, wird er auch ein Motiv dafür finden, warum sie dem Hausknecht bei einem Dejeuner Trüffelwürste servirte. Mein Verstand steht still, ich weiß aus dem Märchen keine andere Moral zu ziehen, als daß ein Hausknecht von einer Geheimräthin sich nicht mit Trüffelwürsten muß traktiren lassen.«
    Er hatte schon vorhin Hut und Stock genommen und drückte jetzt dem Rath die Hand.
    »Wohin so eilig?« – »Zu meinem alten Geschäftsfreunde, dem unglücklichen van Asten.« – »Es kam ja noch nicht zum Aeußersten. Der Wein lagert in Stettin. Bis der Konkurs regulirt ist, finden sich doch vielleicht Abnehmer.«
    »Wer redet davon! – Sein Sohn, sein einziger Sohn könnte ihn retten, wenn er das Mündel des Alten heirathet. Sechszigtausend – nein, mit den Zinsen müssen es jetzt achtzigtausend Thaler sein, und Demoiselle Schlarbaum ist ein hübsches, sittsames Mädchen, er hat nichts gegen sie einzuwenden, er bekäme eine vortreffliche Hausfrau, aber – der junge Mann denkt höher hinaus, sie ist ihm nicht ästhetisch genug, er hat dem Vater erklärt, betteln wolle er für ihn, nur könne er das Glück seines ganzen Lebens nicht tödten, das wäre Selbstmord an seiner Bestimmung, er gehöre nicht sich allein an, es gebe höhere Pflichten, und was der sentimentalen Redensarten mehr sind. Ich sah eine Thräne im Auge des Alten, als er es erzählte. Und um dieser Tiraden und Sentiments willen lässt der junge Herr, der als ein Muster von Tugend verschrieen ist, den würdigen alten Mann, seinen Vater –

Weitere Kostenlose Bücher