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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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wollte selbst operiren. Wie ich auch dagegen mich sträubte, sie bestellte sich bei Herrn Flittner eine kleine Hausapotheke, und ich musste den Vermittler spielen. Herr Regierungsrath, alles das sind schon Verdachtsgründe, auf die ein gewöhnlicher Richter mit beiden Fäusten zugreifen würde. Aber – ich empfand eine Achtung für die seltene Frau, die mit jedem Tage wuchs, die, weil ich sie erwidert glaubte, zu einer Seelenharmonie ward. Ich hatte daran gedacht, wenn sie frei ward, um ihre Hand zu bitten, mein Interesse war daher des Geheimraths früher Tod; er ist früher gestorben, als man erwartet, es heißt, nicht auf natürlichem Wege, ich war bis dahin, wenn nicht täglich, doch sehr oft, in ihrem Hause, im nächsten Verkehr mit der, welche man der Giftmischerei bezüchtigt, sie empfing Spezereien, wobei mein Name genannt ward – ich will mich auch gar nicht darauf berufen, daß ich grad in letzter Zeit seltener ansprach – ich hielt darauf wirklich um ihre Hand an, wollte also meinen Vortheil geltend machen. Nun, mein Herr, entscheiden Sie, ob das in Ihrem Lande dringende Verdachtsgründe sind.«
    Fuchsius hatte ihn fest angesehen: »Ich kehre die Frage um; was würden Sie in meiner Lage thun? Sie haben die Rechte studirt.« – »In Amerika ließe ich den Mann auf der Stelle verhaften. Ich erinnere mich eines ähnlichen Falles, wo ich als Friedensrichter so handelte. Es ergab sich nachher, er war unschuldig. Aber Sie müssen den amerikanischen Charakter, die besonderen Verhältnisse beachten. Standesrücksichten giebt es nicht; die feineren Bezüge der Seelenkunde gehören dort nicht vor Gericht, nichts als die
matter of fact.
Ich weiß, ich stoße so oft an, indem ich mich in die europäischen Verhältnisse noch nicht wieder zurechtfinde.« – »Ich höre zum ersten Mal, daß Sie in Amerika waren, Herr Legationsrath.« – »Eine Vorahnung, was die Revolution uns bringen würde, trieb mich schon bei ihrem Ausbruch dahin,« sagte Wandel mit einem Seufzer. »Wäre ich doch nie zurückgekehrt! Man muß gestehen, die Revolution hat mehr und Tieferes zerstört, als Königreiche und Fürstenthümer.« – – »Vielleicht auch dem nur den letzten Stoß gegeben, was längst in sich zerstört war,« sagte der Rath. – »Sehr wahr! Eine tiefe Wahrheit, Herr Regierungsrath. Wenn ich der schlichten Sitten, der Natureinfalt gedenke in unserm Dorfe, nicht bei den Landbewohnern allein, auch in unserer Familie, wie sie traulich Abends unter den Lindenbäumen vor der Thür des reinlichen holländischen Hauses saßen und ihren Thee tranken bei der weißen Thonpfeife. Wer dachte bei diesen glücklichen Landbewohnern an das alte Herrengeschlecht der Vansitter. Und als ich zurückkehrte –« »Vansitter!« wiederholte Fuchsius, und blickte mit einer nicht erkünstelten Verwunderung Den an, von dessen Lippen dieses Wort geflossen war. Wandel, der sich nicht aus seiner Ruhe bringen ließ, lächelte fein: »Ja, wie Ihnen wohl auch schwerlich geheim blieb, gehöre ich zu dieser, leider nur zu ausgebreiteten Familie.« – »Sie stammen aus Geldern?« – »Wo die Familie herstammt, darüber befragen Sie die Heraldiker. Ja, ein großer Theil von Geldern, Yssel, glaube ich doch sogar mehrere der größeren friesischen Inseln, gehörten zu den Besitzthümern dieser alten sassischen Dynastien. Soll ich etwa stolz darauf sein? Von der Herrlichkeit der Familie blieb nichts über als die Vansitter in Kopenhagen, und dies reiche Handlungshaus, welches vermuthlich Ihre Notiznahme veranlasst, ist schon längst durch eine Erbtochter in andere Hände übergegangen.
Sic transit gloria mundi,
mein Herr Regierungsrath. Die echten Abkömmlinge der Vansitter sind über die Erde zerstreut, wie Ihre Becker und Schulzen. Der Zweig, dem ich angehörte, war schon seit einem Jahrhundert aus den Niederlanden nach Dänemark übergesiedelt, aber den Grad meiner Verwandtschaft mit der großen Firma bin ich nicht im Stande Ihnen anzugeben, denn schon mein Groß-Oheim, der Gouverneur von Surinam, äußerte lachend: wenn man alle Vansitter in einen Sack würfe, würde Gott im Himmel selbst seine Mühe haben, sie wieder zu rangiren und Jeden an seinen Platz zu stellen. Ehe ich nach Amerika ging, hatte allerdings mein Vater mit seinem Bruder Moritz Wilhelm eine unserer Stammbesitzungen in Geldern, Wandel, von entfernten Vettern wieder erstanden. Aber lassen Sie mich davon schweigen, wie ich es nach meiner Rückkehr wiederfand. Nach der Schlacht von

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