Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
– »Mein Kaiser schlägt nur los, wenn er ihn schon in Händen hat.« – »Das kontrastirt furchtbar gegen den Glauben hier.« – »Desto besser. Seit Friedrichs Auge erlosch, sieht man hier durch eine Brille, die ihnen immer das Gegentheil von dem zeigt, wie die Dinge sind. Eine wahre Wohlthat der Vorsehung. Was braucht ein Maulwurf in die Sonne zu sehen! Den Lauf der Gestirne berechnen Andere.« – »Sie gefallen sich heute in Paradoxieen.«
»Ohne alle Gleichnisse, Prinzessin, und aufrichtig, Gedanke gegen Gedanke! Wenn große Mächte über große Fragen miteinander in Streit liegen, so ist die Einmischung der kleinen immer verdrießlich. Was haben sie in die Wagschale zu legen, wo Kraft, Wille, Genie auf beiden Seiten stehen?« – »Wo das Zünglein der Wage hin und her schwankt, dünkt mich, giebt grade ein kleines Gewicht den Ausschlag.« – »Das bestreite ich. In der Theorie mag es richtig sein, in der Praxis grundfalsch. Bundesgenossen bringen Prätensionen mit, und beschweren, und hemmen die Macht, die zu entscheiden hat. Wodurch siegte Friedrich? Weil er keine Bagage von Alliirten hatte, weil er immer frei handeln konnte. Wodurch ist dies deutsche Reich mit seinem König und Kaiser römischer Nation, das ehedem die Weltherrschaft prätendirte, untergegangen? Weil seine Kaiser nie frei handeln konnten; an den Rücksichten, die sie allen möglichen Berechtigungen in dem bunten Reiche gewähren mussten. Oesterreich verblutet, England lassen wir auf seinem Brett im Meer
Rule Britannia
singen, die Frage steht nur noch zwischen Frankreich und Rußland. Ich bin wenigstens des Glaubens, daß Rußlands große Staatsmänner die Sache so ins Auge fassen. Es ist der Kampf um die Herrschaft auf dem Continent zwischen dem Occident und dem Orient. Was soll, was hat da mitzusprechen in diesem Kampfe zwischen zwei Kolossen, die Bagatelle Preußens?«
»Und doch ist jetzt von ihr allein die Rede. Sie ruft unsern Beistand an, wir gewähren ihn ihr. Alexander lässt marschiren. Herr von Laforest. Möge Ihr Kaiser auf einen ernsteren Zusammenstoß bereit sein, als – Sie denken.« – »Wir sind bereit und – freuen uns darauf, denn endlich muß es doch entschieden werden, wem zwischen zwei gleich großen Spielern das Schachbrett gehört. Aber das ist ein Kampf, der im Jahre 1806 noch nicht ausgefochten wird. Jetzt räumen wir nur das Feld von kleinen Mitspielern, unnützen Rathgebern; es könnte eigentlich beiden Großmächten gleichgültig sein, welche es über sich nimmt, diese Parteigänger fortzukehren, denn Beide haben den Vortheil, wenn das Feld frei wird. Ihre Armeen können sich entwickeln. Und« – setzte er aufstehend hinzu – »sie können ihre ganze Stärke zeigen, sie kämpfen nicht für einen Vorwand, sie kämpfen für sich – wer weiß, ob es dann zum Kampfe mit den Massen kommt, ob beide Gewaltige sich nicht besser im Frieden über die Theilung der Erde zu verständigen wissen.«
»Nur nicht Menschheitsbeglückungsträume, Herr von Laforest!« sprach die Fürstin. »Mit dem Ossian konnten Sie diese hier nicht beschwatzen; uns in Rußland –« »Männer wird Napoleon nicht mit Kinderspielzeug fangen wollen. Die Welt bedarf der Autorität. Ein Stempel der Kraft muß den Völkern wieder aufgedrückt werden, damit sie nicht vom Winde der Meinungen wie Flugsand durcheinander treiben. In Frankreich hat sein Fuß die Jakobiner zertreten, er hat die zerrüttete Ruhe und Ordnung der Gesellschaft wiedergeschenkt, er ist des Willens, sie auch den Völkern wieder aufzudrücken, wenn – wenn nicht, die seine Bundesgenossen darin sein sollten, mit dem gemeinschaftlichen Feind gemeinschaftliche Sache machen.«
Die Fürstin blickte ihn scharf an. Sie war verwundert, sie wollte mehr hören. Der Mund schien, halb geöffnet, als ein Zeichen der Aufmerksamkeit, aber er spitzte sich auch wohl schon zu einer satirischen Entgegnung, während Laforest fortfuhr: »Ist dies Preußen nicht das wahrhafte Wespennest der Sektirer, Illuminaten, wo täglich Ideen und Neuerungen geheckt werden, Laiche und Brut zu neuen Revolutionen? Und das Schlimmste, sie wurden von oben unterstützt, oder gingen von oben aus; die Philosophen lässt man Systeme bauen, man schmeichelt ihnen, ruft sie in den Staatsdienst, und was man niedertreten und ausrotten sollte, begießt man noch! Können wir, nach solchen Erfahrungen, uns noch täuschen, wie weit diese Systeme tragen, wie sie das Blut vergiften, den Glauben an die Autorität in Kirche
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