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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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heirathen würde. Darauf hätte sie eine Pflegetochter und die Kinder ihres Schwagers vergeben. Bei der ersten sei es noch zur rechten Zeit gemerkt worden und man hätte sie aus dem Hause geschafft; die Kinder wären daraufgegangen. Der fremde Herr hätte darauf gesagt: so sei es gar nicht gemeint gewesen, und er habe auf immer von ihr Abschied genommen. Da aber hätte sie grade schon auch ihren Mann vergeben gehabt, und wäre von der Alteration außer sich gerathen. Alles wäre ja umsonst gethan. »Ich weiß nicht, Herr Geheimsekretär,« sagte der andere Geheimsekretär, »ich weiß nicht, ob ich nicht den andern vornehmen Herrn auch bei den Ohren fasste.« – »Wird auch geschehen,« rief der Angeredete dem klugen Manne ins Ohr. »Gestern im Kasino hörte ich so etwas, unter uns gesagt, daß der Herr Regierungsrath von Fuchsius auf ihn vigilire. Es ist da was, – man weiß nur nicht, was – indeß man wird ja davon hören.« –
    Bald darauf klingelte es heftig in der Wohnung des Rath Fuchsius, auch noch in früher Morgenstunde, denn der Rath saß im Schlafrock und Pantoffeln beim Kaffee und Pfeife. Ein fremder Herr wünschte in einer dringenden Angelegenheit ihn zu sprechen, und ehe noch der Bescheid hinausging, war der Legationsrath eingetreten.
    Zwei fein gebildete Männer sind um den Anfang eines Gesprächs nicht verlegen, ohne das Wetter zu Hülfe zu rufen. Aber Wandel unterbrach den schönsten Fluß der Introduktion, bei der Fuchsius ihn nicht einmal gefragt, was ihm die Ehre des Besuches verschafft, indem er den Hut auf die Erde fallen ließ und, mit beiden Ellenbogen auf den Tisch sich stützend, die Hände gegen die Stirn drückte: »Mein Gott wozu das Alles! – Sie wissen, warum ich hier bin. – Die Arme, Unglückselige! – Sie sehen mich in unaussprechlicher Angst und Verwirrung – ich kann kaum meine Worte fassen – Verzeihen Sie, wenn ich Ungehöriges rede – Sie wissen aus eigner Anschauung, in wie naher Verbindung ich mit ihr stand –« »Um so schmerzlicher, kann ich mir denken,« entgegnete Fuchsius, »muß die Beschuldigung, welche die Dame trifft, einen edelgesinnten Freund berühren.« – »Ich danke Ihnen für diese schonende Sprache. Eine Bitte voraus – wenn sie schuldig ist, ich meine nach Ihrer Ansicht, gleichviel, ob es nur Ihre moralische Ueberzeugung ist, oder eine die sich auf Beweise gründet, erlauben Sie mir wenigstens, ihrem ältesten Freunde, sie in unserm Gespräch als eine arme, unglückselige Dulderin zu bezeichnen.«
    »Da der Jurist die Regel gelten lässt:
Quilibet bonus praesumitur, donec contrarium probetur,
versteht sich dieses Recht für einen so intimen Freund von selbst.«
    »Und nun,« sagte Wandel mit fester Stimme, – »ohne Umschweife, wie es sich unter Männern ziemt: was haben Sie über mich disponirt?« – »Sie vergessen, daß ich mit der Diplomatie nichts mehr zu thun habe.« – »Mein Gott, wozu die Komödie! bin ich ein
fugae suspectus?
Haben Sie mich nicht in Ihrem Hause? Mit einem Worte: werden Sie mich verhaften lassen?« – »Ich – Sie? – Das ist eine sonderbare Frage. Sind Sie denn angeklagt?« – »
Qui s'accuse,
wollen Sie damit sagen. Wohlan, ich betrachte mich als ein Angeklagter, und frage Sie offen heraus: habe ich mich als ein Surveillirter zu betrachten, oder habe ich die Captur zu gewärtigen? Um Anordnungen wegen meiner Güter zu erlassen, liegt mir viel daran, es zu wissen, und ich würde Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie mir gradeaus Ihre Absicht mittheilten.«
    »Die Criminaljustiz schreitet bei uns nur im Fall dringender Verdachtsgründe zur Captur.«
    »Nun, sind das für Ihre Justiz nicht dringende Gründe, daß eines intimen Umganges mit der Geheimräthin das Gerücht mich bezüchtigt, und ich räume ein, es war mehr als Gerücht. Ich war fast täglich in ihrem Hause, ich führte ihre Geldgeschäfte, ich wusste um Dinge, die Niemand sonst weiß. Sie war eine nervös-hysterische Kranke, eines jener zartgestimmten Instrumente, die eine ganz besondere Behandlung erfordern, um nicht immer Disharmonien zu hören und von sich zu geben. Sie hatte einen Widerwillen gegen die Aerzte, welche sie nicht so zu behandeln verstanden, oder es nicht wollten. Ich musste ihr kleine sympathetische Mittel verschreiben; es war oft Betrug dabei, das gestehe ich ganz offen, denn solche Kranke, die sich stets selbst täuschen, verlangen, auch von ihren Aerzten getäuscht zu werden. Im Verlauf der Zeit war sie auch damit nicht zufrieden, sie

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