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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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der asiatischen Cholera morbus! Und der Leichtsinn! Aber still, liebster Dallach, erschrecken Sie nicht Ihre Gäste; wir werden bald mehr hören.«
     
Sechsundachtzigstes Kapitel.
     
Das große Trauerhaus.
    Wo der Trauerhimmel über eine ganze Stadt ausgespannt ist, wer achtet da sehr auf ein einzelnes Trauerhaus! Die Aerzte, nach denen Wandel geschickt, waren nicht zu Hause gewesen. Sei doch der Krankheitsanfall einer Art, daß ein gesunder Körper sich selbst heile, hatte er geäußert, oder wenn – dann war er plötzlich aufgesprungen, und ließ doch noch einen Arzt rufen. Er hatte ihm im Vorzimmer die Symptome beschrieben, sie hatten gelacht, und als der Doktor ins Zimmer trat, hatte er lächelnd den Puls des Kranken befühlt und auch lächelnd zum Baron gesagt: »Etwas Kamillenthee und Einreibungen – das wird den Patienten bald auf die Beine bringen, aber wenn er auf den Beinen ist, gnädige Frau, dann thun Sie mir den Gefallen und lassen ihn nicht wieder Melone essen und sich erkälten.« Liebevoller, aufmerksamer, aufopfernder, hätte ein Bruder den Baron nicht pflegen können. Tag und Nacht saß er abwechselnd mit der Baronin an seinem Bette. Er trocknete, er rieb den Leib er schenkte ihm den Thee, den er selbst vorher kostete. –
    Wandel stand am Fenster. Lärm, Unruhe, Hin- und Hergelaufe, kernige Fluchworte, dazwischen ein Geschrei, das hier in Heulen überging. Ein Reiter sprengte auf der Straße vorüber: »Das ist der Rittmeister Dorville. Ich fürchte, er bringt Uebles vom Schlachtfelde.« Eine Stimme rief zum Fenster hinauf: »Verloren! Es ist Alles verloren.« Was eine Stimme, was Stimmen! Es war Alles in der Stadt nur eine, und das war ein entsetzlicher Wehruf. Wohl Denen, die ihn laut machen konnten; der stumme Schmerz ist der tiefere. Er sprengt nicht immer die Brust, aber er stopft die Adern, er wirkt einen Niederschlag, der alle Funktionen der Glieder lähmt. Das Herz, das so muthig noch eben schlug, scheint still zu stehen, die Gedanken, die gradaus schossen, zittern und verirren. Es war kein lauter Aufschrei in der Stadt; kein Todeshieb, der eine Wunde öffnete, aus der das Herzblut mit einem Mal ausströmt; es war eine Quetschung, ein Niederschlag. Ein Uhrwerk war's, dessen Räder noch gingen, aber keines griff ins andere.
    Ein Knäuel von Hiobsposten wälzte, flog durch die Straßen. Die Franzosen hatten gesiegt, die Armee war in die Flucht geschlagen; die Besonnenen hatten wohl Recht, wenn sie schrieen, man solle zukochen, heizen, für Stroh, Decken, Quartiere und Lazarethe der Flüchtlinge sorgen, Andere schrieen nach Waffen und Widerstand. Da schreckte Beide die Nachricht zu blassem Verstummen: Nichts von Flucht und Widerstand! Unsere Armee ist aufgerieben, vernichtet, alle Generale, der König, der Prinz gefallen! Das ward zwar von Unterrichteten dahin korrigirt: die preußische Armee sei von den Franzosen nur umgangen worden, Napoleon habe sich zuerst bei Jena auf das Corps Hohenlohe geworfen und es vernichtet, darauf oder zugleich sei die Hauptarmee, wo der König und die Prinzen, bei Auerstädt total geschlagen, der Herzog von Braunschweig, der Oberfeldherr im Getümmel erschossen, und beide geworfenen Corps, auf einander gedrängt, würden von den Franzosen nach dem Rheine zu verfolgt; aber für die Begriffe der Masse war das zu schwer zu entwirren. Wenn auch einige Kluge kalkulirten, dann entferne sich ja die Gefahr, wenn noch Klügere meinten, es sei nur eine Kriegslist, um den Krieg nach Frankreich zu wälzen, so hörten Andere dafür schon, wenn ein Piket Husaren durch eine entfernte Straße preschte, die Vorposten der Franzosen in die Stadt einreiten. Andere aber hatten besser gesehen oder gehört, es waren Russen oder Engländer, die gelandet oder geflogen waren um Berlin beizustehen.
    Man sah Einige durch die Massen sich drängen. Aber wo Rathes sich erholen? Die Lenker des Kabinettes sollten im Hauptquartier sein. Hier klopften sie umsonst an die Thür eines Großen. Er lag in einer heftigen Kolik und hatte befohlen, Niemand vorzulassen. Ein Anderer war bei einem Andern, der Andere war aber wieder anderswohin geeilt. Im Gedränge trafen sich Zwei, die sich einst gesehen und seitdem nicht wieder, Walter und der alte Rittgarten. »Zum Gouverneur!« rief der Invalide. »Er muß die Trommel rühren lassen.« – »Trommeln! Das fehlte noch,« rief ein gutgesinnter Bürger, »um den Wirrwarr voll zu machen.« – »Es giebt nur Einen, und wenn Er nicht Hülfe weiß

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