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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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von Saalfeld.
    Der Baron Eitelbach ging zur Börse. Er ward unterwegs von Mehreren angesprochen. Man kondolirte ihm. »Wie nahm sie's auf?« – »Ich kann wohl sagen, sie deployirt eine große Seelenstärke.« – »Ist's denn auch ganz gewiß?« – »Na, warum denn nicht? Sein Neveu, der Wolfskehl, hat ihn selbst vom Pferde hauen sehen; er hat's hergeschrieben.«
    Der Legationsrath trat in dem Augenblick an die Gruppe, und es war der vollste Ausdruck inniger Theilnahme, mit der er dem Baron die Hand drückte: »Sie sind ein Mann.« Er zog ihn etwas bei Seite. »Und sie ist eine Frau, die durch Leiden geadelt wird. Ich bin überzeugt, daß dies Unglück den wahren Bund Ihrer Seelen nur fester schlingen wird. Es ist schön, es ist edel – ich sage nicht groß von Ihnen, daß Sie ihre Empfindungen durch solche Theilnahme ehren.« –
    Als noch Jemand an die Gruppe getreten, war der Legationsrath plötzlich fortgesprungen. Fuchsius sah ihm verwundert nach, aber noch verwundeter sah er dem zu, was Wandel begann. Er unterhandelte mit einer Obsthökerin. Er zog die Börse und schien eine ahnsehnliche Summe ihr in die Hand zu drücken. Dann nahm er plötzlich die Körbe mit Birnen und Pflaumen, den ganzen Vorrath der Händlerin, und warf ihn in einen der tiefen Rinnsteine, die den ganzen schwimmenden Vorrath alsbald in ein Abzugsloch trieben. Die Straßenjugend jubelte, Andere jubelten nicht, sie schimpften auf den vornehmen Herren, der so mit Gottes Gabe umgehe; statt armen Leuten sie zu schenken, verderbe er sie. Es gab einen kleinen Auflauf, aus welchem Wandel sich nur mit einiger Mühe losmachte. Die Herren in der Gruppe hatten zwar mit Verwunderung zugesehen, doch ahnten sie die Aufklärung. Wahrscheinlich war das Obst unreif, oder der Legationsrath hielt es dafür. Er hatte schon an mehreren Orten von der unverzeihlichen Nachlässigkeit der Polizei gesprochen, daß sie solchen Verkauf zulasse, wo die Ruhr in der Stadt grassire, man wisse ja nicht, was noch daraus entstehe. »Ihre Intention in Ehren.« sagte Jemand zu dem Zurückkehrenden, »in dieser allgemeinen Kalamität ist es aber nicht recht, Anlaß zum Skandal zu geben. Das Volk ist ohnedem aufsässig.« – »Und was helfen zwei Körbe weniger!« – »Sie haben vollkommen Recht, meine Herren,« sagte Wandel, »doch wer ist Herr über seine Impulse! Zudem sehe ich ein Gespenst, welches mir fürchterlicher dünkt als alle Kriegskalamitäten, die uns noch drohen mögen. Noch ist es nicht hier, aber es wogt aus dem fernen Asien herüber, eine Pest, gegen die der schwarze Tod, das gelbe Fieber, und was sonst den Namen führte, unbedeutend erscheinen werden. Eine Krankheit, die ganze Ortschaften, Landstriche hinrafft, entwickelt sich in dem britischen Indien. Die englischen Aerzte geben entsetzliche Schilderungen und behaupten, daß sie ihren Siegerzug durch die ganze Welt halten werde. Sie nennen sie Cholera morbus, und was das Schrecklichste, es ist kein ärztliches Mittel dagegen zu entdecken. Sie fängt mit Vomiren an, heftiger Dyssenterie, dies steigert sich in wenigen Stunden bis zum Tode. Der geringste Diätfehler, namentlich der Genuß von unreifem, ja, selbst von reifem Obst ruft sie hervor. Ich kann Ihnen meine Besorgniß nicht verhehlen, ich hörte durch Selle vorhin von Fällen, die mich fürchten machen, daß sie schon in den Ringmauern von Berlin ist. – Ich bitte, lassen Sie sich nicht ängstlich machen, meine Herren, aber hüten Sie sich ja vor jeder Erkältung, vor Obstgenuß. Ja, ja, meine Herren, wir wissen alle nicht, was uns bevorsteht, und welche neue Wendung das Schicksal nimmt. Wo diese Krankheit grassirt, hört der Krieg von selbst auf. – Sie fühlen sich doch nicht unwohl, liebster Baron, Sie fassen sich an den Magen?«
    Der Baron hatte Melonen gegessen. Die Gesichter einiger Andern verriethen die Nachwirkung einer zu lebhaften Schilderung. Da erst erblickte Wandel den Rath Fuchsius. Er ergriff seine Hand: »Ach, mein werthester Freund! Vorsicht, Vorsicht, meine Herren, weiter nichts!
A propos,
was macht denn unser Freund Bovillard? Ich sah ihn seit vorgestern nicht.«
    Der Rath zuckte die Achseln: »Durch seine Selbstkur –«
    »Thut er Buße,« fiel der Baron ein, für die Gänseleberpasteten und Trüffelwürste, um die er seine Nebenmenschen übervortheilt hat. »Es hat Einer ausgerechnet, was er in seinem Leben verschlungen hat – die Summe ist gar nicht auszusprechen.«
    »Ich bin sehr um ihn besorgt,« sagte Wandel, den Kopf

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