Ruhe unsanft
Schönheit oder Geschmack vortä u schen; das Resultat war ein fröhlicher Raum, in dem jeder gern saß und sich entspannte, wenn seine Zeit es zuließ.
Mrs Mountford, geborene Pagett, war untersetzt und rundlich, mit ein paar grauen Strähnen im dunklen Haar, ihre Schwester Edith dagegen groß und dünn. Sie hatte noch kaum ein graues Haar, obwohl sie um die Fünfzig sein musste.
»Na, so was!«, wunderte sich Edith Pagett nach der B e grüßung. »Die kleine Gwennie! Nehmen Sie’s mir nicht übel, Ma’am, es rutscht mir so heraus, wenn ich an die alten Zeiten denke. Ein süßes Ding waren Sie. Kamen immer zu mir in die Küche und wollten ›Sinen‹, damit haben Sie Rosinen gemeint, nicht Apfelsinen, und ich gab Ihnen auch welche, das heißt, Sultaninen, weil da keine Kerne drin sind.«
Gwenda starrte in das rotwangige Gesicht mit den le b haften schwarzen Augen und zermarterte sich das Hirn, aber ohne Erfolg. Die Erinnerung war eine trügerische Sache.
»Wenn ich mich nur erinnern könnte…«, fing sie an.
»Höchst unwahrscheinlich. Sie waren ja noch ein so kleines Mädchen. Heute will niemand mehr zu Kindern. Verstehe ich gar nicht. Kinder bringen doch erst Leben ins Haus, finde ich. Na ja, das Kochen macht ein bis s chen Mühe, aber daran sind viel weniger die Kinder schuld, Ma’am, als die Kindermädchen. Die sind heikel und wählerisch und wollen immer bedient werden. Eri n nern Sie sich noch an Leonie, Miss Gwennie – Entschu l digung, Mrs Reed?«
»Leonie? War das mein Kindermädchen?«
»Ja, eine Schweizerin. Sie konnte nicht gut Englisch und war sehr empfindlich, heulte immer gleich, wenn Lily ihr was sagte. Lily war das Hausmädchen, Lily Abbott, jung und ein bisschen schnippisch. Mit Ihnen hat sie immer gespielt, Miss Gwennie, Verstecken und Kuckuck durchs Treppengeländer…«
Gwenda zuckte unwillkürlich zusammen. Das Tre p pengeländer…
Dann sagte sie plötzlich: »An Lily erinnere ich mich. Sie hat der Katze eine Schleife umgebunden.«
»Na, so was! Das ist aber ein Gedächtnis! Stimmt, das war an Ihrem dritten Geburtstag, und Lily war außer Rand und Band, und Thomas musste unbedingt eine Schleife umhaben. Sie nahm die von der großen Konfek t schachtel, und das arme Vieh kratzte und spuckte und raste in den Garten und scheuerte sich so lange an den Bäumen und Sträuchern, bis es die Schleife wieder los war. Katzen mögen solche Späße nicht.«
»Es war eine schwarze mit weißen Pfoten, nicht wahr?«
»Ja. Armer alter Tommy – ein tüchtiger Mäusefänger, und…« Edith Pagett unterbrach sich und hustete verl e gen. »Entschuldigen Sie, dass ich so drauflosrede, aber die Zunge geht einfach mit mir durch, wenn ich von alten Zeiten rede. Sie wollten mich was fragen?«
»Ja, gerade das, wovon Sie erzählen«, sagte Gwenda l ä chelnd. »Ich höre Ihnen gerne zu. Sehen Sie, ich kam ja schon als kleines Kind nach Neuseeland und wuchs dort bei Verwandten auf. Sie wussten wenig von meinem V a ter und gar nichts von meiner Stiefmutter. Sie – sie war nett, nicht wahr?«
»Ja, und besonders zu Ihnen, Ma’am. Sie hat Sie immer an den Strand mitgenommen und im Garten mit Ihnen gespielt.
War ja selber noch ganz jung, eher ein junges Mädchen als eine verheiratete Frau. Ich hab mir oft gedacht, dass ihr das Spielen den gleichen Spaß machte wie Ihnen. Sie war ja als Einzelkind aufgewachsen, wissen Sie, oder so gut wie allein. Dr. Kennedy, der große Bruder, war viel, viel älter als sie und immer in Büchern vergraben. Und wenn sie nicht weg in der Schule war, musste sie in den Ferien alleine spielen.«
Hier mischte sich Miss Marple ein, die auf dem Sofa saß: »Sie haben Ihr ganzes Leben in Dillmouth gewohnt, nicht wahr?«
»O ja, Ma’am. Mein Vater hatte den kleinen Hof auf der anderen Hügelseite. Söhne waren keine da, und meine Mutter konnte nach seinem Tod die Wirtschaft nicht mehr schaffen, und darum hat sie den Hof verkauft und den kleinen Galanterieladen in der Hauptstraße gepac h tet. Ja, ich kenne Dillmouth in- und auswendig.«
»Sicher auch die meisten Einwohner und alle Familie n geschichten?«
»Nicht genau, aber ungefähr. Dillmouth war ja früher ein kleines Nest, obwohl wir eine ganze Menge Somme r gäste hatten, solang ich zurückdenken kann. Es waren nette, ruhige Leute, die jedes Jahr wiederkamen, nicht so viele Zugvögel und Autotouristen wie heutzutage. Die guten Familien haben immer im selben Quartier für vier Wochen vorbestellt, Jahr um Jahr.«
»Ich
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