Ruhe unsanft
nehme an«, bemerkte Giles, »dass Sie Helen schon vor ihrer Heirat kannten?«
»Nun, ich wusste, wer sie war, und habe sie hin und wieder auch mal von Weitem gesehen. Richtig kennen gelernt habe ich sie erst, als ich bei den Hallidays Köchin war.«
»Und Sie hatten sie gern«, sagte Miss Marple.
Edith Pagett wandte sich mit einem Anflug von Trotz ihr zu. »Ja, Madam«, erwiderte sie, »egal, wie die Leute über sie redeten. Zu mir war sie immer so nett, wie man sich’s nur wünschen kann. Ich hätte nie gedacht, dass sie so eine Dummheit machen würde. Mir hat es glatt die Sprache verschlagen, als es herauskam, obwohl man schon so was munkelte…«
Sie schloss abrupt den Mund und warf einen raschen, verlegenen Blick auf Gwenda, die mit instinktiver Offe n heit sagte:
»Erzählen Sie nur, bitte! Ich möchte gern Bescheid wi s sen, Sie war nicht meine Mutter.«
»Das stimmt wohl, Ma’am.«
»Und sehen Sie, wir möchten jetzt herausfinden, wo sie ist. Alle Leute scheinen sie ganz aus den Augen verloren zu haben. Wir wissen nicht einmal, ob sie noch lebt. Und wir haben Gründe…«
Da sie nicht weiter wusste, warf Giles rasch ein:
»Rechtliche Gründe. Wir wissen nicht, ob wir sie für tot erklären lassen sollen oder was sonst.«
»Oh, das kenne ich, Sir! Der Mann meiner Kusine wu r de im letzten Krieg als vermisst gemeldet, und sie hatte so viele Schwierigkeiten deswegen, bis er nach Jahren für tot erklärt wurde. Es war alles furchtbar aufreibend für die arme Frau. Gewiss, Sir, wenn ich Ihnen helfen kann! Es ist ja nicht so, als wären Sie Fremde für mich. Miss Gwennie und ihre ›Sinen‹! Es war so drollig, wie sie das sagte.«
»Sehr freundlich von Ihnen«, meinte Giles. »Dann will ich gleich losschießen, wenn Sie erlauben. Mrs Halliday hat das Haus ganz plötzlich verlassen, wie ich hörte?«
»Ja, Sir. Es war ein schöner Schreck für uns alle – b e sonders natürlich für den armen Major. Es hat ihn völlig umgehauen.«
»Ich möchte Sie ganz offen fragen: Haben Sie eine A h nung, mit wem sie weggegangen ist?«
»Das hat Dr. Kennedy mich damals als erstes gefragt«, erwiderte Edith Pagett kopfschüttelnd. »Ich konnte es ihm nicht sagen, und Lily auch nicht, und was Leonie betraf – sie hatte als Ausländerin natürlich erst recht ke i ne Ahnung.«
»Gut, Sie wussten nichts Genaues«, sagte Giles. »Aber Sie hatten sicherlich eine Vermutung? Jetzt, nach all den Jahren, ist es ja keine Klatscherei mehr, und es macht auch nichts, wenn Sie sich geirrt haben. Wen hatten Sie in Verdacht?«
»Nun, einen Verdacht hatten wir schon, mehr aber auch nicht, verstehen Sie? Ich selbst habe nie was gemerkt. Aber Lily, die war spitzfindiger, und die hatte so ihre I deen, schon lange vorher. ›Merk dir meine Worte‹, sagte sie mehr als einmal zu mir, ›der Kerl ist scharf auf sie. Verschlingt sie mit den Augen, wenn sie bloß den Tee eingießt. Und seine Frau sieht aus, als wollte sie sie erdo l chen!‹«
»Aha. Und wer war der Bursche?«
»Zu dumm, Sir, ich habe seinen Namen vergessen. E s dale, glaube ich, Captain Esdale… Nein, Emery… nein, auch nicht. Ich habe nur das Gefühl, der Name hat mit E angefangen. Oder mit H? Jedenfalls war’s ein ungewöh n licher Name, aber ich habe eben seit Jahren nicht mehr dran gedacht. Er und seine Frau wohnten im ›Royal Cl a rence‹.«
»Im Hotel? Dann waren es also Sommergäste?«
»Ja, aber ich glaube, er – oder beide – kannten Mrs Ha l liday schon von früher her. Sie kamen ziemlich oft zu Besuch ins Haus. Mir ist nichts aufgefallen, aber Lily hat behauptet, er wäre in Mrs Halliday vernarrt.«
»Und seine Frau sah das nicht gern.«
»Sicher nicht, Sir. Aber ich hab nie geglaubt, dass mit den beiden was wäre. Ich weiß bis heute nicht, was ich denken soll.«
»War das Ehepaar noch im ›Royal Clarence‹, als H e len… als meine Stiefmutter verschwand?«, fragte Gwe n da.
»Soweit ich mich erinnere, reisten sie ungefähr um di e selbe Zeit ab, ob einen Tag früher oder später, weiß ich nicht. Auf jeden Fall war es um diese Zeit, sodass die Leute wieder was zu klatschen hatten. Viele sagten, sie wäre schon immer oberflächlich und leichtsinnig gew e sen. Na, dann erfuhr man nie was Genaueres, und die Sache war nicht mehr sensationell, und man redete nicht weiter drüber. Ich habe Mrs Halliday nett gefunden, sonst wäre ich nicht bereit gewesen, mit ihnen nach Norfolk umzuziehen.«
Die drei Besucher starrten sie erstaunt an. Dann
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