Ruhe unsanft
zu sein.«
Dann führte er Giles und Gwenda ins Wohnzimmer, wo ein Tablett mit Teegeschirr, Butterbroten und Keksen bereitstand.
»Tee ist immer richtig, nicht wahr?«, erkundigte er sich ein wenig unsicher bei Gwenda. »Falls diese Mrs Kimble sich befangen fühlt…«
»Sie denken auch an alles!«, lobte Gwenda.
»Wie gehen wir nun vor? Soll ich Sie gleich mit ihr b e kannt machen, oder stoßen wir sie damit vor den Kopf?«
Gwenda überlegte rasch. »Leute vom Land sind mei s tens misstrauisch. Es ist wohl am besten, Sie empfangen sie allein.«
»Meine ich auch«, sagte Giles.
»Gut. Wenn Sie dann im Nebenzimmer warten wollen und ich die Verbindungstür angelehnt lasse, können Sie hören, was gesprochen wird. Ich denke, unter diesen Umständen heiligt der Zweck die Mittel.«
»Ja, man lauscht ja eigentlich nicht, aber das soll uns nicht stören«, sagte Gwenda.
Dr. Kennedy lächelte schwach und fuhr fort: »Es geht hier wohl kaum um Moralprinzipien. Jedenfalls werde ich Mrs Kimble nicht Verschwiegenheit geloben. Ich bin nur bereit, ihr einen Rat zu geben.« Er sah auf seine Uhr. »Wenn der Zug pünktlich um vier Uhr fünfunddreißig in Woodleigh Bolton ist, müsste sie jetzt ankommen. Dann hat sie nur noch ungefähr fünf Minuten Fußweg hierher auf die Anhöhe.«
Er ging ruhelos im Zimmer hin und her. Sein Gesicht wirkte faltig und abgehärmt.
»Ich begreife immer weniger, was das alles bedeutet«, sagte er. »Wenn Helen nicht fortgegangen ist, wenn ihre Briefe Fälschungen waren…«, hier machte Gwenda u n willkürlich eine Bewegung, aber Giles schüttelte den Kopf, »und wenn Kelvin, der arme Kerl, sie nicht umg e bracht hat – was, um Himmels willen, ist dann passiert?«
»Der Mörder war jemand anders«, sagte Gwenda.
»Aber, mein liebes Kind, warum hat Ihr Vater dann b e hauptet, er sei es gewesen?«
»Weil er es sich eingebildet hat. Er sah ihre Leiche auf dem Bett und hielt sich für den Mörder. So was kommt vor, nicht wahr?«
Dr. Kennedy rieb sich nervös die Nase.
»Wie soll ich das wissen? Ich bin kein Psychiater. Schock? Angegriffene Nerven? Ja, dann wäre so was wohl möglich. Aber wer hatte ein Motiv, Helen zu ermorden?«
»Drei Leute kommen in Betracht«, sagte Gwenda.
»Drei? Wieso drei? Niemand hatte einen Grund, sie zu töten, es sei denn, er hätte völlig den Verstand verloren. Sie hatte keine Feinde. Alle mochten sie gern.«
Er zog eine Schreibtischschublade auf und kramte darin herum.
»Hier, das ist mir neulich in die Finger geraten, als ich nach den Briefen suchte.«
Es war ein verblasster Schnappschuss, den er ihnen hinhielt. Darauf war ein großes, schlankes Schulmädchen im Turndress mit Pferdeschwanz und strahlendem G e sicht neben einem viel jüngeren, heiteren Kennedy zu sehen, der einen kleinen Terrier an der Leine hielt.
»Ich denke in letzter Zeit viel an sie«, murmelte er. »Ja h relang habe ich es nicht getan. Fast wäre es mir gelungen, sie zu vergessen. Jetzt ist alles wieder da. Das ist Ihre Schuld!« Der letzte Satz klang fast wie ein Vorwurf.
»Nein«, erwiderte Gwenda. »Helen ist schuld.«
Er fuhr scharf zu ihr herum. »Wie meinen Sie das?«
»Ich kann’s nicht erklären. Aber wir sind es nicht. Es ist Helen selbst.«
Der ferne, melancholische Pfiff einer Lokomotive drang zu ihnen. Dr. Kennedy trat auf die Terrasse, und die jungen Leute folgten ihm. Unten schlängelte sich eine Rauchfahne durch das Tal.
»Der Zug scheint Verspätung zu haben«, sagte Giles.
»Nein, er ist schon auf der Weiterfahrt«, erwiderte Ke n nedy. »Unsere Mrs Kimble muss jeden Moment da sein.«
Aber die Minuten verstrichen, und sie erschien nicht.
Lily Kimble war in Dillmouth Junction in den Lokalzug umgestiegen, der auf einem Nebengleis wartete. Mit ihr fuhr höchstens ein halbes Dutzend Passagiere. Es war die verkehrsschwächste Tageszeit, und außerdem war in He l chester Markt.
Der Zug ratterte durch ein gewundenes Tal. Vor der Endstation Lonsbury Bay hielt er dreimal: in Newton Langford, Matchings Halt (zum Woodleigh Camp) und Woodleigh Bolton. Lily Kimble schaute aus dem Abtei l fenster, ohne die schöne Landschaft zu sehen. Sie träu m te von einer Stilmöbelgarnitur mit grünen Polstern.
Sie stieg als einzige in Matchings Halt aus, gab ihre Fahrkarte ab und ging durch die Sperre. Ein Stückchen weiter stand ein Wegweiser »Nach Woodleigh Camp«, der auf einen steil hügelan führenden Pfad wies.
Lily schritt munter aus. Der gewundene Pfad war rechts
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