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Ruhe unsanft

Ruhe unsanft

Titel: Ruhe unsanft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sagte Gwenda. »Wir hatten soviel Hoffnung auf Sie gesetzt!«
    »Wieso? Was ist denn mit ihr?« Seine Augen wanderten rasch von einem zum andern. »Familienkrach? Gel d schwierigkeiten?«
    »Sie hat das Haus verlassen«, sagte Gwenda. »Vor ach t zehn Jahren. Ganz plötzlich. Seitdem ist sie verschollen. Es heißt, sie sei mit einem anderen Mann…«
    »Und Sie dachten«, vollendete Jack Afflick in amüsie r tem Ton, »mit mir? Warum sind Sie ausgerechnet auf mich verfallen?«
    »Weil wir erfuhren«, sagte Gwenda kühn, »dass Sie und Helen einmal… nun, dass Sie einander sehr gern hatten.«
    »Helen und ich? Ach, das war doch nur ein kleines G e plänkel, wie es unter jungen Leuten gang und gäbe ist. Nichts Ernsthaftes. Das hätten ihre Leute schon verhi n dert«, fügte er trocken hinzu.
    »Sie müssen mich für sehr aufdringlich halten…«, fing Gwenda wieder an, aber Afflick unterbrach sie.
    »Wieso? Ich bin nicht so zart besaitet. Sie suchen Ihre vermisste Stiefmutter, und ich soll helfen. Fragen Sie, was Sie wollen – ich habe nichts zu verbergen.« Er musterte sie nachdenklich. »Sie sind also Hallidays Tochter?«
    »Ja, aus erster Ehe. Haben Sie meinen Vater gekannt?«
    Afflick schüttelte den Kopf.
    »Ich habe mal bei Helen vorbeigeschaut, als ich g e schäftlich in Dillmouth war. Ich hatte gehört, sie sei i n zwischen verheiratet, und war ein bisschen neugierig. Sie war auch ganz nett, hat mich aber nicht zum Abendessen eingeladen. Folglich habe ich Ihren Vater nicht kennen gelernt. Er war nicht zuhause.«
    Gwenda horchte den Worten nach. Hatte da wegen der unterlassenen Einladung nicht eine Spur von Groll durchgeklungen? Laut fragte sie:
    »Was machte sie für einen Eindruck? War sie glüc k lich?«
    Er zuckte die Achseln. »Glücklich ist ein dehnbarer Begriff. Nach so langer Zeit weiß ich nicht mehr genau, wie sie aussah. Aber wahrscheinlich würde ich mich eri n nern, wenn sie einen unglücklichen Eindruck gemacht hätte.« Mit verständlicher Neugier fügte er hinzu: »Sie haben also seit damals nichts mehr von ihr gehört? Gar nichts?«
    »Nichts.«
    »Keine Briefe?«
    »Es kamen zwei«, antwortete Giles. »Aber wir haben Grund zu der Vermutung, dass sie nicht von ihr sta m men.«
    »Was? Fälschungen?« Wieder schien Afflick leicht b e lustigt. »Klingt ja wie ein Kriminalroman.«
    »So kommt es uns auch schon vor.«
    »Sie hatte doch einen älteren Bruder, einen Arzt – weiß er denn nicht, wo Helen steckt?«
    »Nein.«
    »Hm. Ein richtiges Geheimnis. Haben Sie’s schon mal mit einer Suchanzeige versucht?«
    »Ja.«
    »Dann sieht’s aus, als wäre sie tot«, meinte Afflick leichthin, »und Sie haben es nur nicht erfahren.«
    Gwenda schauerte zusammen.
    »Frieren Sie, Mrs Reed?«
    »Nein. Ich stelle mir Helen tot vor. Es ist kein erfreul i cher Gedanke.«
    »Da haben Sie Recht. Ich denke lieber auch nicht dran. Sie sah blendend aus.«
    »Sie haben sie gekannt«, sagte Gwenda impulsiv. »Sogar ziemlich gut. Ich habe nur undeutliche Kindheitserinn e rungen an sie. Wie war sie wirklich? Was hielten die Leute von ihr? Was dachten Sie selbst von ihr, Mr Afflick?«
    Er sah sie sekundenlang schweigend an, ehe er antwo r tete: »Um ehrlich zu sein, Mrs Reed, ob Sie’s glauben oder nicht, das arme Ding hat mir leidgetan.«
    »Leidgetan…« Gwenda starrte ihn verdutzt an.
    »Genau das. Da war sie nun, frisch aus dem Internat, wie jedes Mädchen auf ein bisschen Vergnügen aus, und da war dieser viel ältere, steife Bruder mit seinen ewigen Vorschriften und Anstandsregeln. Er gönnte ihr keine Freude. Na, ich hab sie ein bisschen ausgeführt und ihr was vom Leben gezeigt. Ich war nicht besonders scharf auf sie, und sie nicht auf mich, aber sie hatte einfach Spaß daran, Wirbel zu machen. Ihr Bruder merkte das natürlich und hatte nichts Eiligeres zu tun, als allem einen Riegel vorzuschieben. Ich nahm es ihm nicht übel; seiner Me i nung nach stand ich ja weit unter ihr. Von Verlobung war sowieso nie die Rede. Sicher wollte ich mal heiraten, aber erst später, wenn ich es zu was gebracht hatte, und dann eine Frau, die mir weiterhelfen konnte. Helen hatte kein Geld und passte nicht zu mir. Wir waren einfach gute Freunde und flirteten mal ein wenig.«
    »Aber Sie müssen auf den Doktor wütend gewesen sein…«
    »Ich war empört, das gebe ich zu. Niemand lässt sich gern unter die Nase reiben, dass er nicht fein genug ist. Aber man darf eben nicht zu dünnhäutig sein.«
    »Haben Sie damals nicht auch

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