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Ruhe unsanft

Ruhe unsanft

Titel: Ruhe unsanft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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von Wald, links von abfallendem Heideland mit vielen Ginsterbüschen gesäumt.
    Plötzlich trat jemand zwischen den Baumstämmen he r vor, und Lily Kimble fuhr heftig zusammen.
    »Mein Gott, hab ich mich erschrocken!«, rief sie. »Wer ist denn darauf gefasst, dass Sie…«
    »Eine schöne Überraschung, was? Ich habe noch eine.«
    Im Wald war es sehr einsam. Keiner hörte einen Schrei oder einen Kampf. Tatsächlich schrie auch niemand, und der Kampf war sehr kurz.
    Eine aufgestörte Wildtaube flatterte zwischen den Bäumen davon.
    »Wo bleibt die Person nur?«, knurrte Dr. Kennedy ä r gerlich, als die Zeiger der Uhr auf zehn Minuten vor fünf wiesen.
    »Könnte sie sich unterwegs vom Bahnhof verirrt h a ben?«
    »Unmöglich. Ich habe es ihr genau beschrieben. Einf a cher geht’s nicht. Beim Bahnhof links und dann die erste Straße rechts. Es sind nur ein paar Minuten, sonst hätte ich sie abgeholt.«
    »Vielleicht hat sie es sich anders überlegt«, sagte Giles.
    »Scheint so.«
    »Oder sie hat den Zug verpasst«, meinte Gwenda.
    »Nein, ich glaube eher«, sagte Kennedy langsam, »dass sie im letzten Moment lieber zuhause geblieben ist. Vie l leicht war ihr Mann dagegen. Leute vom Land sind manchmal ziemlich schwierig.«
    Er ging wieder im Zimmer hin und her. Plötzlich blieb er beim Telefon stehen, hob ab und wählte.
    »Hallo? Ist dort der Bahnhof? Hier Dr. Kennedy. Ich habe mit dem Zug um vier Uhr fünfunddreißig jemanden erwartet – eine Frau mittleren Alters. Hat sie vielleicht nach dem Weg gefragt, oder – wie bitte?«
    Giles und Gwenda standen nahe genug, um die träge Stimme des einzigen Gepäckträgers von Woodleigh Bo l ton zu verstehen.
    »Nein, zu Ihnen hat niemand gewollt, Doktor. Mit dem Zug vierfünfunddreißig ist überhaupt kein Fremder g e kommen. Mr Narracott, und Johnnie Lawes, und das Benson-Mädchen. Sonst keiner.«
    Kennedy legte auf und wandte sich an Giles und Gwenda. »Sie hat es sich anders überlegt. Was nun? Tri n ken wir erst mal Tee. Der Kessel steht auf dem Herd. Ich bin gleich wieder da.«
    Kurz darauf kehrte er mit der gefüllten Teekanne z u rück, und sie setzten sich.
    »Es ist nur ein kurzer Aufschub«, sagte Kennedy, de s sen düstere Miene sich allmählich aufhellte. »Wir haben ihre Adresse. Vielleicht fahren wir zu ihr und besuchen sie.«
    Das Telefon klingelte, und Kennedy stand auf, um a b zunehmen.
    »Dr. Kennedy?«, fragte eine Männerstimme.
    »Ja, am Apparat.«
    »Hier Inspektor Last, Polizeirevier Langford. Haben Sie heute Nachmittag den Besuch einer gewissen Mrs Lily Kimble erwartet?«
    »Ja, warum? Hat es einen Unfall gegeben?«
    »Einen Unfall möchte ich es nicht gerade nennen. Sie ist tot.
    In ihrer Handtasche fanden wir einen Brief von Ihnen. Deshalb rufe ich an. Können Sie so rasch wie möglich aufs Revier kommen?«
    »Ich komme sofort.«
    »Wollen wir die Sache erst mal klarstellen«, sagte I n spektor Last und blickte von Kennedy zu dem jungen Ehepaar, das den Arzt begleitet hatte. Gwenda war sehr blass und hatte die Hände nervös verschränkt. »Sie haben die Frau mit dem Zug erwartet, der um vier Uhr fünf von Dillmouth Junction abfahrt und in Woodleigh Bolton um vier Uhr fünfunddreißig ankommt?«
    Dr. Kennedy nickte.
    Der Inspektor sah abermals in den Brief, den er bei der Leiche gefunden hatte. Da stand klar und deutlich.
     
    Liebe Mrs Kimble,
    ich werde Sie gern beraten, soweit es in meinen Kräften steht. Aus dem Briefkopf können Sie ersehen, dass ich nicht mehr in Dil l mouth wohne. Wenn Sie den Zug nehmen, der um drei Uhr dre i ßig in Coombeleigh abfährt, in Dillmouth Junction umsteigen und mit dem Zug nach Lonsbury Bay bis Woodleigh Bolton fahren, haben Sie nur noch wenige Minuten zu Fuß zu mir. Wenden Sie sich beim Verlassen des Bahnhofs nach links, dann die erste Straße rechts. Mein Haus ist das letzte rechts. Der Name steht am Tor.
    Mit freundlichen Grüßen
    James Kennedy
     
    »Es kommt also nicht infrage, dass sie einen früheren Zug nahm?«, fragte Inspektor Last.
    »Einen früheren Zug?«, wiederholte Dr. Kennedy ve r ständnislos.
    »Ja, das hat sie nämlich getan. Sie fuhr nicht um drei Uhr dreißig, sondern schon um ein Uhr dreißig von Coombeleigh ab, stieg zwei Uhr fünf in Dillmouth Jun c tion um und stieg nicht in Woodleigh Bolton aus, so n dern schon die Station vorher, in Matchings Halt.«
    »Sehr seltsam.«
    »Wollte sie einen ärztlichen Rat von Ihnen, Doktor?«
    »Nein. Ich praktiziere schon seit einigen Jahren

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