Ruhelos
musste gleich zurück in den Garten gegangen sein.
Als ich durchs Fenster schaute, sah ich sie schließlich, halb versteckt vom Goldregen neben der Pforte, die hinaus auf die Wiese führte. Sie stand an der Hecke und blickte durchs Fernglas zum Wald hinüber. Langsam ließ sie es in die eine, dann in die andere Richtung wandern. Die alten Eichen jenseits der Wiese wurden noch immer vom Wind geschüttelt, und meine Mutter suchte zwischen den Stämmen, in den Schatten des Unterholzes nach Anzeichen, ob dort jemand lauerte, nur auf den Moment wartete, dass sie ihre Vorsicht vergaß. Und da begriff ich, dass es ihr nie mehr vergönnt sein würde, sorglos und entspannt in den Tag hinein zu leben. Meine Mutter würde immer zum Witch Wood hinüberschauen, so wie jetzt, in der Erwartung, dass jemand kommen und sie wegholen würde. Ich stand in der Küche und sah sie Ausschau halten nach ihrem Schicksal, ihrer Nemesis, und da war mir plötzlich klar, dass das unser aller Leben bestimmt, dass es das ist, was uns ausmacht, unsere Sterblichkeit, unsere Menschlichkeit. Eines Tages kommt jemand und holt uns weg; man braucht keine Spionagevergangenheit, dachte ich, um genauso zu empfinden. Meine Mutter stand und schaute, schaute über die Wiese zu den Bäumen hinüber.
Und die Bäume im dunklen Wald wiegten sich im Wind, die Wolken trieben dahin und jagten die sonnigen Stellen quer über die Wiese. Ich sah das trockene, ungemähte Gras wogen, fast wie ein lebendiges Wesen, wie das Fell eines großen Tiers; windgezaust, windgestreichelt – und meine Mutter schaute, wartete.
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