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Ruhelos

Ruhelos

Titel: Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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Lächeln, das ihn manchmal geradezu verwandelte, und diese unerschütterliche Selbstsicherheit. Sie zwang sich zum Zuhören: Er lobte sie schon wieder. Alle in Lyne seien beeindruckt von ihrem Einsatz, ihren Fähigkeiten.
    »Aber wozu soll das alles gut sein?«, platzte sie heraus.
    »Ich erkläre Ihnen alles, wenn Sie fertig sind«, sagte er. »Sie kommen nach London zu meiner Einheit, meinem Team.«
    •
    »Sie haben eine eigene Einheit?«
    »Sagen wir, eine kleine Untergruppe einer beigeordneten Nebenstelle, die lose mit der Zentrale verbunden ist.«
    »Und womit befasst sich Ihre Einheit?«
    »Das wollte ich Ihnen geben«, überging er ihre Frage und zog einen Umschlag aus seiner Brusttasche, der zwei Pässe enthielt. Sie schlug die Pässe auf: in beiden ihr Foto mit den umschatteten Augen, steif und förmlich, ein wenig unscharf, aber die Namen waren andere: Jetzt hieß sie Marjory Allerdice und Lily Fitzroy.
    »Wozu das? Ich dachte, ich heiße Eve Dalton.«
    Er klärte sie auf. Alle, die für ihn arbeiteten, die zu seiner Einheit gehörten, erhielten drei Identitäten. Das sei ein Vorzug, eine Vergünstigung, die jeder nach Gutdünken einsetzen könne. Etwa so wie ein extra Fallschirm, sagte er, oder zwei Fluchtautos, die immer in der Nähe parken, für den Fall, dass man sie eines Tages braucht. Manchmal ist das sehr nützlich, sagte er, und wir sparen eine Menge Zeit, wenn Sie die jetzt schon bekommen.
    Eva steckte die neuen Pässe in ihre Handtasche, und zum ersten Mal verspürte sie eine schleichende Angst, die ihr den Rücken hinaufkroch. Verfolgungsjagden in Edinburgh mochten ja noch angehen; aber das, womit sich Romers Einheit befasste, war eindeutig mit Gefahren verbunden. Sie ließ ihre Handtasche zuschnappen.
    »Sind Sie befugt, mir mehr über Ihre Einheit zu erzählen?«
    »O ja. Ein wenig. Sie heißt AAS«, sagte er. »Fast schon ein bisschen peinlich, diese Abkürzung, ich weiß. Aber sie steht für Assekuranz- und Abrechnungsservice.«
    »Wie langweilig.«
    »Genau.«
    Und plötzlich wusste sie, dass sie Romer mochte – seine Art von Cleverness, seine Art, alles zu durchschauen. Er bestellte sich einen Brandy. Eva wollte nichts.
    »Ich gebe Ihnen noch einen Rat«, sagte er. »Und das werde ich auch in Zukunft tun – Ihnen von Zeit zu Zeit Tipps geben. Die sollten Sie beherzigen.«
    Schon fand sie ihn wieder unsympathisch: Diese Selbstgefälligkeit, diese amour propre, das ging ihr manchmal einfach zu weit. Ich bin allen haushoch überlegen und hab es nur mit armseligen Trotteln zu tun.
    »Suchen Sie sich einen sicheren Unterschlupf. Wo auch immer. Überall, wo Sie sich für eine gewisse Zeit aufhalten, brauchen Sie Ihren persönlichen Zufluchtsort. Den dürfen Sie nicht mir, den dürfen Sie keinem verraten. Einfach ein Ort, zu dem Sie immer Zugang haben, wo Sie anonym bleiben, wo Sie sich, wenn nötig, verstecken können.«
    »Romers Regeln«, sagte sie. »Haben Sie noch mehr davon?«
    »Oh, jede Menge«, erwiderte er, ohne auf ihre Ironie einzugehen, »aber da wir schon beim Thema sind, nenne ich Ihnen die wichtigste Regel, Regel Nummer eins, die man nie vergessen darf.«
    »Welche wäre?«
    »Traue niemandem«, sagte er ohne jedes Pathos, eher mit einer beiläufigen Gewissheit, als würde er sagen: Heute ist Freitag. »Trauen Sie niemandem. Niemals«, wiederholte er, nahm eine Zigarette heraus und zündete sie an, nachdenklich, mit einem Gesicht, als wäre er von seinem eigenen Scharfsinn überrascht. »Vielleicht ist das die einzige Regel, die Sie brauchen. Vielleicht sind die anderen, die ich Ihnen noch nennen werde, nur Varianten dieser einen. Die Regel der Regeln. Trauen Sie keinem, nicht mal dem Menschen, dem Sie am allermeisten trauen würden. Der Verdacht, das Misstrauen muss immer bleiben.« Er lächelte, aber es war nicht sein warmes Lächeln. »Dann sind Sie immer auf der sicheren Seite.«
    »Ich werd’s mir merken.«
    Seinen restlichen Brandy kippte er mit einem Schluck. Er trank viel – das war ihr bei den wenigen Treffen schon aufgefallen.
    »Dann sehen wir mal zu, wie wir Sie zurück nach Lyne bekommen«, sagte er und verlangte die Rechnung.
    An der Tür gaben sie sich die Hand. Sie könne ganz bequem mit dem Bus fahren, sagte Eva. Sie hatte den Eindruck, dass er sie intensiver musterte als sonst, und ihr fiel ein, dass sie ihr Haar gelöst hatte – wahrscheinlich hat er mich nie mit offenem Haar gesehen, dachte sie.
    »Ja … Eva Delektorskaja«, sagte er versonnen, als wäre

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