Ruhig Blut!
So etwas ist zum erstenmal geschehen. Sie haben nirgends eine schwache Stelle, wo ich ansetzen könnte. Sie sind mächtiger, stärker, denken schneller… Eine geistige Konfrontation mit ihnen ist ebenso sinnlos wie der Versuch, einen Sturm aufzuhalten, indem man nach ihm spuckt.«
»Was hast du vor?«
»Nichts! Ich kann nichts unternehmen! Verstehst du denn nicht? Den ganzen Tag habe ich hier gelegen und versucht, mir etwas einfallen zu lassen. Sie kennen sich mit Magie aus. Borgen ist praktisch ihre zweite Natur. Sie sind schnell und halten uns für Vieh, das sprechen kann… Das habe ich nie erwartet, Gytha. Stundenlang habe ich nach einer Lösung gesucht – ohne eine zu finden.«
»Es gibt immer einen Weg«, sagte Nanny.
»Diesmal sehe ich keinen«, erwiderte Oma. »Das wär’s, Gytha. Ich kann hier genausogut liegenblieben und Wasser auf mich herabtropfen lassen, bis ich mich in Stein verwandle, wie die Hexe am Eingang.«
»Du findest bestimmt einen Weg«, sagte Nanny. »Wetterwachse geben nie auf. Es liegt ihnen im Blut – das habe ich schon immer gesagt.«
»Ich bin besiegt, Gytha. Noch bevor der Kampf begonnen hat. Vielleicht kann jemand anders einen Weg finden, aber ich bin nicht dazu fähig. Ich sehe mich hier einem Geist gegenüber, der stärker ist als meiner. Ich kann ihn nur von mir fernhalten, aber nicht in ihn vorstoßen. Mit anderen Worten. Ich kann nicht gegen ihn kämpfen .«
Nanny Ogg fröstelte, als sie begriff, daß Oma es tatsächlich ernst meinte.
»Ich hätte nie gedacht, so etwas von dir zu hören«, murmelte sie.
»Geh jetzt. Setzt das Baby nicht länger der Kälte aus.«
»Und was willst du jetzt tun?«
»Vielleicht sollte ich den Weg fortsetzen. Oder ich bleibe einfach hier.« »Du kannst nicht für immer hierbleiben, Esme.«
»Frag die Hexe am Eingang.«
Und damit schien alles gesagt zu sein. Nanny kehrte zu den anderen
zurück, die ein wenig verlegen in der nächsten Höhle warteten, und führte sie nach draußen an die frische Luft.
»Hast du deine Pfeife wiedergefunden?« fragte Magrat.
»Ja, danke.«
»Was hat sie vor?« erkundigte sich Agnes.
»Solche Fragen erübrigen sich«, erwiderte Nanny. »Ich weiß, daß ihr
gelauscht habt. Ihr wärt keine richtigen Hexen, wenn ihr nicht irgendwie gelauscht hättet.«
»Nun, können wir etwas vollbringen, wozu Oma nicht imstande ist? Wenn sie geschlagen ist, so sind wir es ebenfalls, oder?«
»Was meinte Oma mit ›von kann bis kann nicht‹?« fragte Magrat.
»Oh, vom ersten Augenblick am Morgen, wenn man sehen kann, bis zum letzten Moment am Abend, wenn man nicht mehr sehen kann«, erklärte Nanny.
»Sie ist wirklich sehr deprimiert, nicht wahr?«
Nanny zögerte bei der steinernen Hexe. Ihre Pfeife war ausgegangen, und sie riß an der krummen Nase ein Streichholz an.
»Wir sind zu dritt«, sagte sie. »Drei ist genau die richtige Zahl. Wir werden einen Hexensabbat abhalten…«
»Bist du denn gar nicht besorgt ?« fragte Agnes. »Oma… gibt auf…«
»Dann ist es unsere Aufgabe weiterzumachen«, erwiderte Nanny.
Nanny hatte den Kessel in der Mitte des Zimmers aufgestellt, damit alles richtig aussah, obwohl sich ein Hexensabbat im Innern eines Hauses keineswegs richtig anfühlte. Die Abwesenheit von Oma Wetterwachs machte alles noch schlimmer.
Perdita fand, daß sie wie dumme Mädchen wirkten, die Hexen spielten. Das einzige Feuer im Zimmer brannte in dem nagelneuen großen schwarzen Eisenherd, den Nanny unlängst von ihren liebenden Söhnen geschenkt bekommen hatte. Darauf stand ein kleinerer Kessel, in dem es brodelte.
»Ich koche Tee, in Ordnung?« Magrat stand auf.
»Nein, setz dich«, sagte Nanny. »Es ist Agnes’ Aufgabe, den Tee zu kochen. Du bist die Mutter, und deshalb schenkst du den Tee ein.« »Und was machst du, Nanny?« fragte Agnes.
»Ich trinke den Tee«, erwiderte Nanny Ogg sofort. »In Ordnung. Wir müssen mehr herausfinden, solange die Vampire noch einigermaßen freundlich sind. Agnes, du kehrst mit Magrat und dem Baby zum Schloß zurück. Magrat braucht ohnehin ein wenig Hilfe.«
»Aber welchen Sinn hat das?«
»Du hast selbst darauf hingewiesen«, sagte Nanny. »Die Vampire können dich nicht beeinflussen. Sobald sie versuchen, Agnes’ Selbst zu sehen, verschwindet es, und Perdita erscheint. Der junge Vlad hat ein Auge auf dich geworfen, nicht wahr?«
»Natürlich nicht!«
»O doch«, fuhr Nanny fort. »Männer mögen Frauen, die etwas Geheimnisvolles an sich haben. Sie lieben
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