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Rummelplatz

Rummelplatz

Titel: Rummelplatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Bräunig
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marschieren gelernt hatten und sonst nichts. Sabotage? Gab es obendrein. Zerschnittene Luftschläuche, kurzgeschlossene Kabel, zerschossene Rollen. Aber wer sabotiert schon am eigenen Arbeitsplatz? Verdammt keiner in diesem Land, das zwölf Jahre Barras hinter sich hat und Heimatschuß und Kriegsgericht und Gestapo …
    »Sie werden sehen!« sagte Drushwili. Fischer sah ihm nach, wie er davonging.
    Der Magaziner schloß die Bohlentür auf. Fadenschein drückte seine Zigarette aus und schob die Kippe in die Blechschachtel. Der Hauer von Block dreizehn langte sich eine Bohrstütze.
    »Brauchst du nicht«, sagte Fischer. »Du gehst auf die Vierzehn.«
    Der Hauer setzte die Bohrstütze ab. Er war zwei, drei Jahre älter als Christian und war Jungaktivist, Christian wußte, daß er übertage im Blauhemd herumlief, mit einem halben Dutzend Abzeichen dran.
    »Ach nee«, sagte der Hauer. »Wir sollen auslöffeln, was die vergammelt haben!«
    »Wer sonst?« sagte Fischer. »Außer dir kann’s keiner.«
    Einen niedergeschossenen Block ausbauen, das war schwierig und war gefährlich, und es war nichts zu verdienen dabei. |109| Jeder wußte das hier. Und jeder wußte, daß es bis zum Morgen getan sein mußte und daß trotzdem Erz kommen mußte von den anderen Überhauen. Aber Fischer konnte den Hauer nicht zwingen. Der war Brigadier und hatte seinen Plan und war seiner Brigade verantwortlich für den Verdienst. Das Erz lag auf seinem Block. Erz machen war eine gute Arbeit. Und sie brachte Geld.
    »So«, sagte der Hauer. »Und wer geht auf unseren Block?«
    »Kleinschmidt«, sagte Fischer. Er stand jetzt vor Christian. Er sagte: »Ihr Hauer hat sich krankgemeldet. Sie gehen heute auf Block dreizehn und machen Erz. Ich zeige Ihnen, wie das gemacht wird.«
    Christian brummte etwas. Er spürte, wie der Hauer mißmutig herübersah. Er dachte, daß noch etwas geschehen würde. Aber der Hauer drehte sich um und ging. Da ging auch er los.
    3.
    Sie bogen in den Querschlag ein und kamen an die erste Rolle.
    »Gehen Sie mal hoch«, sagte Fischer. »Wenn Sie den Hammer angeschlossen haben, geben Sie ein Zeichen. Ich mache die Luft auf.«
    Christian zwängte sich in die Einstiegluke. Die Fahrten waren glitschig, braungrün die Wände, Wasser troff. Das Licht der Grubenlampe reichte nicht weit. Die erste Umsteigbühne war verschüttet, es war gerade noch Platz, den Körper hindurchzuzwängen. Christian schob den Pickhammer vor sich her, die Lampe hatte er unter den Verschluß der Jacke gehakt, sie blendete ihn, er konnte über sich nichts sehen.
    Christian stieg aufwärts.
    Gestein schnitt in die Hände, scharfkantiger Splitt. Der Luftschlauch schlang sich um die Fahrten, sperrte manchmal |110| den Einstieg. Die Hände tasteten blind. Aber es mußte ja ein Höher geben, solange da Ausbau war, und der Luftschlauch mußte irgendwo münden.
    Als er oben war, glaubte er erst, es müsse noch weiter gehen. Aber es waren lose herumliegende Hölzer, in die er griff. Das Überhauen war hier nur ein halbes Meter hoch, der Schlauch bog links ab. Auf dem Bauch kroch Christian weiter, erst die Lampe voran, dann den Pickhammer, erst die Lampe, dann den Hammer. Immer dem Schlauch nach, der wand sich. Lag mal unter Geröll, lag mal über, zeigte plötzlich abwärts. Er fand die Schlauchmündung, das Überhauen zog sich weiter nach links. Irgendwo pickerte wer. Weit konnte das nicht sein. Christian hatte keine Ahnung, wer das sein könnte.
    Er schraubte das Mundstück an den Preßlufthammer. Die Ader lag direkt vor ihm. Schwarze Körnchen im matten Grau. Das Erz war nicht sehr kompakt, soviel verstand er. Aber es lag ziemlich breit.
    Er kroch zum Einstieg zurück und gab das Zeichen.
    Mit der Keilhaue riß er sperrige Quader aus dem Hangenden. Kaventsmänner, dachte er, wenn du die ins Genick kriegst. Er kroch zum Erzplatz zurück und scharrte Masse in die Rolle, er beriß auch hier. Im Hangenden glomm eine rötliche Kalkspatdruse. Er ließ den Hammer auflaufen, der spuckte Öl. Christian zog den Stellring nach. Er begann zu arbeiten.
    Dann kam Fischer. Er beobachtete Christian bei der Arbeit. Er leuchtete den Stoß ab, er dachte: Das schlägt bestimmt alles noch an. Die Mittelschicht war nicht hier gewesen, das wußte er, und die Frühschicht hatte vermutlich zu viel stehenlassen. Er kroch zu Christian hinüber und ließ sich den Hammer geben.
    Die Meißelspitze stieß schräg in den Berg, locker, mühelos scheinbar, das Erz sprang ab in flachen Splittern.

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