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Rummelplatz

Rummelplatz

Titel: Rummelplatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Bräunig
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Peter.
    »Schön, gehst du also auf die Halde. Noch was?«
    »Ja«, sagte Peter. Er langte über den Schreibtisch und nahm sich unaufgefordert eine Zigarette aus der Schachtel des jungen Mannes, er hatte nun sehr viel Zeit. Er zündete die Zigarette an und sagte: »Ich will nämlich nicht auf die Halde.«
    »So«, sagte der junge Mann und starrte verwundert auf Peters Hand. »Darf man fragen, warum?«
    »Erstens«, erklärte Peter grinsend, »weil mir das zu langweilig ist. Zweitens, weil man da nichts verdient. Und drittens bin ich nicht dein Duzbruder. Klar?«
    Der junge Mann stand auf. Er ging zum Fenster und wieder zum Schreibtisch zurück und ging noch einmal zum Fenster und kam noch einmal wieder. Und dann sagte er: »Du bist ein ganz Schlauer, wie? Und was willst du machen, wenn wir dich nicht entpflichten?«
    »Och Gott«, sagte Peter harmlos, »ich gehe einfach nicht zur Schicht, wenn ihr mich auf die Halde schickt. Da müßt ihr mir Fehlschichten schreiben, und wenn ihr zwanzig Stück zusammenhabt, dann schmeißt ihr mich raus wegen Arbeitsbummelei.«
    »Hm«, sagte der junge Mann. »Da ist eine Lücke im Gesetz. Das stimmt.«
    Und dann sagten sie eine Weile nichts.
    Und als eine ganze Weile vergangen war, sagte der junge Mann: »Es ist schließlich nicht unsere Schuld. Du mußt ja |446| schließlich die Rübe nicht unbedingt hinhalten, wenn zugedroschen wird. Sag mal, hast du wenigstens eine Fahrerlaubnis?«
    »Nein«, sagte Peter erstaunt, »habe ich nicht.«
    »Wir brauchen noch ein paar Fahrer. Schade. Hättest du denn wenigstens Lust dazu?«
    »Doch, doch«, sagte Peter gedehnt. »Lust dazu hätte ich schon.«
    »Aber?«
    »Ach Quatsch. Ist doch bloß alles Mache. Ihr seift einen ein, und dann nehmt ihr das Rasiermesser und tut so, als ob, und dann schneidet ihr ritsch die Kehle durch. Aber bei mir nicht.«
    »Jetzt will ich dir mal was sagen«, sagte der junge Mann. »Hier ist eine Einweisung, die fülle ich jetzt vor deinen Augen aus, sagen wir mal für den ersten August. Dann unterschreiben wir beide, und das Ding geht an den Fuhrpark. Bis August arbeitest du auf der Halde, du machst einen Kursus mit und legst deine Fahrprüfung ab. Wenn du sie bestehst, dann geben wir dir einen Kipper untern Hintern. Also: entweder unterschreibe – oder hau ab. Ich kriege meine Zeit nicht vom lieben Gott bezahlt!«
    Da nahm Peter den Kopierstiftstummel und unterschrieb.
    Er ging dann wieder die Straße entlang und wunderte sich, wie schnell das alles gegangen war. Und wenn ein Kipper vorbeikam oder ein Lkw, da dachte er: ganz schön, so ein Maschinchen. Da sind PS drin, und da ist Musik drauf, und vorne ist die Straße, mit der stehen wir uns ja schon immer gut. Und so ein Führerschein, wenn man den erst einmal hat, damit kommt man überall unter. Wo sie die großen Fuhren machen zum Beispiel, mit den Fernlastern, Spedition und all so was. Da hat man einen richtigen Beruf, und man sieht was von der Welt, und man kriegt sogar noch Geld dafür. Das ist was anderes als immer bloß Schacht. Das ist weiß Gott ein verdammt angenehmer Job. Da hat es also doch noch was |447| eingebracht, daß sie uns eins über den Schädel gewichst haben. Und der FDJ-nik, der war eigentlich gar nicht so uneben. Man muß die Leute bloß richtig nehmen.
    Aber er war ja noch krank geschrieben, und das Mißtrauen erwachte wieder, und er dachte: Bis August, wer weiß, was da noch alles dazwischenkommt. Das weiß man doch, daß es bei der Wismut immer anders kommt, als man denkt. Beispielsweise könnte der junge Mann inzwischen versetzt werden, denn es wird ja immerzu versetzt, von einem Stuhl auf den anderen, das ist eine richtige Epidemie. Und dann stehe ich im August vor irgendeinem anderen, der weiß von nichts und sagt: Kipperfahrer, da könnte jeder kommen. Du mit deiner nagelneuen Fahrerlaubnis. Keine Erfahrung, keine Fahrpraxis, mein lieber Mann, bleib du mal schön auf der Halde. Ihr wollt euch alle bloß drücken, wollt euch in gemachte Betten legen, und die anderen sollen die Arbeit machen. Den Arbeiter-und-Bauern-Staat wollt ihr bescheißen und euch die Pfoten nicht dreckig machen, aber da beißt ihr auf Granit. Hier haben wir die Macht, und wer nicht für uns ist, der ist gegen uns. Das sagten die Leute an den Schreibtischen nämlich immer, als ob sie sich selber die Finger dreckig machen würden, als ob sie nicht selbst die Druckpöstchen hätten, als ob nicht auf zwei Arbeiter mindestens ein Sesselfurzer käme. Eine prima

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