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Rummelplatz

Rummelplatz

Titel: Rummelplatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Bräunig
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mitwill und der Knabe auch. Sprit brauch’ die so gut wie keinen, und du hast ihn ja sowieso umsonst. Mit der kannste noch elfmal zum Jordan fahren und zurück.«
    Peter war bislang nur einmal zum Klubhaus gefahren und zurück, neunzig Spitze, wenn der Tacho nicht gezinkt war. – Das wäre dann etwas Eigenes, nicht so ein Schichtkahn, den |496| alle acht Stunden ein anderer fährt, und jeder fährt ihn anders, das hält kein Pferd aus auf die Dauer, und man kriegt gar kein Gefühl für die Maschine und hat dauernd drei Quadratmeter Spiel in der Lenkung, und es klappert die Mühle am rauschenden Bach samt Chassis und Verschalung. Er sagte: »Also schön, beschissen werd ich sowieso.«
    Das war am Freitag. Am Sonnabend fuhr er bei Schichtwechsel an der Papierfabrik vor und wartete, ob nicht eine käme, die er kannte.
    Es kamen mehrere. Erst kamen die beiden Schneegänse, die er mal in der Kreisstadt kennengelernt hatte bei einem Schwof im Freien, Maifeier oder Tag der Befreiung oder so was, die ließ er passieren. Dann kam die Tochter von dem Hermann Fischer, schleppte diesen mickrigen Bonbonträger neben sich her, der hatte man auch schon mal was Besseres zugetraut. Dann kam das Radieschen, das jetzt in der Werkskantine von diesem Stutenstall arbeitete, winkte herüber und müßte gleich weiter von wegen dem Baby, welches ein Schlitzmatrose war, und war eine richtige Frau geworden, Spieß, dieses Rindvieh, konnte sich da bestimmt nicht beklagen, den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf. Es kam dann eine, die kannte er aus dem Klubhaus, aber er hatte ihren Namen vergessen, und dann kam die Hertha Dörner massiv angesegelt inmitten eines ganzen Hühnerhofs Junghennen, und dann kamen noch ein paar, die er nicht kannte.
    Dann kam diese Margit Radochla.
    »Na«, sagte sie, »habe ich dich lange warten lassen?« Von all den Mädchen, die er kannte, war sie so ziemlich die einzige, mit der man sich tatsächlich unterhalten konnte. »Es geht«, sagte er. »Aber eigentlich wollte ich mit deinem Vater reden, weil wir doch morgen zusammen diese Tour machen wollen, und ob wir da vorher heiraten müssen.«
    Sie nickte ernsthaft. »Höchstens«, sagte sie, »wenn schönes Wetter ist. Da drückt er vielleicht ein Auge zu.« Und ließ auch ausnahmsweise ihre Omnibusfahrkarte verfallen, weil er |497| zufällig in ihrer Gegend zu tun hatte. Und Sonntagmorgen fuhren sie los.
    Vermutlich war es der letzte warme Tag des Jahres. Von Westen kamen sehr hohe einzelne Zirruswölkchen, schienen aber mehr stillzustehen, sonst war der Himmel makellos blau, es ging kein Wind. Er fuhr die Maschine voll aus, und sie gefiel ihm immer besser, neunzig schaffte sie sogar noch mit doppelter Belastung. Margit hielt sich erst am Soziusbügel fest, später an seinen Schultern. Und er fuhr die Straße nach Zwickau, da kamen zwei mächtige Stiche gegen Schneeberg zu, und dann kamen Stoppelfelder links und Brachäcker rechts, und ein Wäldchen und Dörfer kamen, da war die Straße asphaltiert, und dahinter kam ein sehr gutes Kopfsteinpflaster, und rechts lag Hartenstein im Tal und später Fährbrücke, und dicht vor einem Dorf mit Richtkronen über zwei Häusern überholten sie einen Linienbus, der war nahezu leer an diesem Morgen. Und sie fuhren an ein paar Teichen vorbei und an einer Kuhherde, die keinerlei Notiz nahm von ihnen, dann kam ein Turm, der aussah wie von einer Wehrkirche, aber sie hatten nie gehört, daß es das gab in der Gegend, und dann hatten sie eine lange Abfahrt mit scharfem Fahrtwind, und die große Brücke über die Mulde kam vorn auf, und die Bahnlinie unten, da war die Böschung bepflanzt mit Warnzeichen: Gefälle, Schleudergefahr, Kurve; als aber rechts der Mischwald auftauchte mit der Eule vom Naturschutz an allen möglichen Bäumen, da trommelte Margit auf seinem Rücken, und er fuhr langsamer, und sie sagte irgendwas. Er ging auf dreißig herunter. Ein Stück Waldweg und so ein Pfad an einer Schonung entlang, das letzte Stück schoben sie.
    »Na«, sagte Margit.
    Aber er lag schon im Gras, und sie setzte sich neben ihn. Und es gefiel ihm sehr, daß sie nicht dieses Theater machte mit ›mein bester Rock‹ und ›wegen der Grasflecke‹.
    »Hach«, sagte er, »das habe ich mir immer gewünscht, so ’n Stuhl und einfach los und dann irgendwo ins Gras hauen, |498| ich bin nämlich von Natur aus ein ganz fauler Hund.« Er hatte die Augen geschlossen, aber wenn er ein bißchen blinzelte, sah er, daß sie ihn ansah, und daß sie ihn

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