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Rummelplatz

Rummelplatz

Titel: Rummelplatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Bräunig
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Sparflamme. Gegenpartei waren die Individualisten, die mit den verbeulten Kotflügeln und den durchgeschlagenen Federn, und mit dem höchsten Dieselverbrauch.
    Peter Loose aber war parteilos – und das war beschwerlich. Die Gemütlichen waren ihm gar zu gemütlich, die Dieselfresser |489| zu großspurig – er hielt sich heraus. Aber die einen hielten zusammen und die anderen hielten zusammen, Parteien haben fast immer etwas gegen Außenseiter. Sie versuchen, den Mann einzugemeinden, mißlingt das, verketzern sie ihn. Zu Tätlichkeiten war es noch nicht gekommen.
    Der Motor spuckte. Die Sonne stand tief und blendete ins Fahrerhaus. Die Sonnenbrille steckte in der Jacke, die drüben hing hinter der Beifahrertür, ohne anzuhalten, konnte er da nicht hin. Und der 41-17, der vor ihm fuhr, wirbelte den Staub hoch mit seinen neuen Profilreifen wie eine ganze Panzerkolonne. 41-17 war ein dreiachsiger JaAS, er war ganz schön zur Minna gefahren und berühmt wegen seiner ramponierten Fassade, aber der Motor war in Schuß, das mußte man zugeben. Der zog noch was weg. Und die Ladung hatte es in sich. Peter wußte: in der Kurve kam er da nicht vorbei, es war schon viel, daß er herangekommen war. Auch auf dem Zechenplatz ließ der ihm keine Chance. Höchstens an der Schranke. Aber es gehörte eine Menge Glück dazu, 41-17 wurde gefahren von einem ausgemachten Individualisten-Häuptling.
    So fuhr er auf Abstand. Aber die Schranke war offen diesmal und der Gegenverkehr regelmäßig, das kam, weil der Zechenplatz trocken war. Der JaAS blieb vor ihm. Und sie fuhren zum Schacht hoch und zur Zeche zurück und wieder zum Schacht, und dann hatten sie den 10-03 erreicht, der vor dem JaAS lag, und der Individualisten-Häuptling fuhr eine Attacke, kam zweimal nicht vorbei, aber dann ließ 10-03 sie gleich beide passieren, das war am Berg, den sie mit Last zu nehmen hatten, und der 10-03 mußte auf den zweiten Gang herunter, weil sie ihm die Ladung so schön schief draufgeknallt hatten. Sie zogen vorbei und sahen den 10-03-Fahrer über seinem Lenker hängen und fluchen, sonst war weiter nichts.
    Dann aber kam der Fahrer von 41-17 nach hinten, als sie auf Ladung warteten. Er lehnte sich an den Kotflügel und grinste.
    |490| »Was ich sagen wollte, was gibt’s denn so zu rauchen?«
    »Solotoje«, sagte Peter. »Stalins Lieblingstabak.«
    Sie drehten sich Zigaretten, und 41-17 lehnte immer noch am Kotflügel; vorn beluden sie den Dreizehn-Strich-Dreizehn, den Titte Klammergass in der Ablöseschicht fuhr. 41-17 fragte: »Was hast’n vorher so gefahren?«
    »Hunte«, sagte Peter, »Schubkarre, Kinderwagen noch nicht.«
    Die Reihe rückte weiter. Der Dreizehner war schon an der Ausfahrt. Unterm Hang stand jetzt ein SIS, dem das rückwärtige Nummernschild fehlte, er war der letzte vor 41-17. Aber der lehnte immer noch grinsend am Kotflügel und rührte sich nicht. Hinten hupte der überholte JaAS, und dann hupte dessen Hintermann, und dann fingen sie alle an, wie verrückt in die Gegend zu tuten bis hinauf zur Kurve.
    »Was ich noch sagen wollte«, sagte 41-17, »ich hab da einen Kunden für zehn Liter, aber ich bin heute blank. Kannste nicht was tun für den Mann? Er wartet oben in der Kurve, und du müßtest da vor mir rausfahren, damit der Bonze nichts merkt. Das ist ein ganz Scharfer.« Er nickte in Richtung des überholten JaAS.
    Peter schob den Gang hinein und steuerte an 41-17 vorbei an den Hang. Er zog die Handbremse und hörte auch schon, wie die Ladung auf die Ladefläche kam, und spürte, wie der Wagen in die Knie ging. Dann kam das Freizeichen. Er ließ den Wagen zur Kehre rollen und gab Gas und merkte: die Ladung saß gut.
    Er wußte natürlich, daß die Individualisten Sprit verschoben. Und wußte, daß einige von den Sparflamme-Schonkost-Leuten scharf hinter ihnen her waren, und natürlich die Kripo auch und noch ein paar andere; die hatten immer gleich die halbe Bevölkerung auf den Beinen. Väterchen Wismut ließ den Sprit in Strömen fließen – als ob’s da auf die paar Liter ankäme. – Und Väterchen Staat ließ private Pkw zu und kassierte Steuern, ließ Motorräder kaufen und verkaufen und |491| amtlich taxieren, und die Zeitungen druckten seitenlang Inserate, dabei gab’s keinen Sprit im Freiverkauf, und die Leute mußten sich eigentlich an fünf Fingern abzählen können, woher der kam und wo er geklaut wurde, organisiert wurde, unters Volk gebracht: Diesel gegen Reifen, Sprit gegen Ersatzteile, vorwärts und

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