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Rummelplatz

Rummelplatz

Titel: Rummelplatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Bräunig
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um, er steckte noch immer in den Sachen, die er bei Margit getrocknet hatte. Von Christian Kleinschmidt war eine Karte gekommen. Vorn eine Ansicht der Hochschule, flache graue Steinkästen im Mittagsglast, enorme Bäume dahinter. Es war die dritte Karte, seit er mit dem Studium begonnen hatte. Wie geht’s Euch so und mir geht’s ganz gut, Haufen Arbeit, Mensa-Essen miserabel, ansonsten zwei bis drei. Der übliche Sums, den man sich so schreibt unter Freunden.
    |510| Peter drehte die Kaltwasserbrause auf, die kürzlich installiert worden war. Der Waschraum war schmutzig, Seifenreste lagen umher, eine alte Zahnbürste, zerlöcherte Gummistiefel. Das Abflußrohr war verstopft, und er mußte erst mit einem Drahtende die Schleuse aufstochern; das Wasser floß träge und seufzend.
    Aber die Brause war gut, das Wasser kalt, aber nicht zu kalt, die Düsen strahlten hart. Heidewitzka kam herein. »Mann, du hast ’ne ganz schöne Meise, immer in der kalten Brühe.«
    Dann war es wieder das Übliche. Er wußte nicht, was er mit sich anfangen sollte. Er trocknete sich ab und ging hinüber zur Küchenbaracke, aber da war keiner. Die Illustrierten, die herumlagen, kannte er schon. Er ging in die Lagerbibliothek, holte sich ein Buch, legte sich auf seinen Strohsack. Wie hatte der lange Kleinschmidt immer gesagt? Das Barackenleben ist eins der einsamsten auf der ganzen Welt. Übertrieben, ja, aber immerhin. Mit Margit konnte er sich heute auch nicht treffen, sie mußte Doppelschicht arbeiten in ihrem verdammten Labor, hatte sie ihm mittags gesagt. Also dieser Schmöker. Wenn sie wenigstens noch einen Traven hätten in der blöden Lagerbibliothek oder vielleicht einen Hemingway, oder paar von den Sachen, die der lange Kleinschmidt immer las. Aber so? Die Bibliotheks-Schnecke kaufte immer das Letzte vom Letzten. Oder vielleicht gab’s auch nichts anderes. Da bekommt der Walter Brenten am Ende also ein Jahr Gefängnis. Ein Jahr! Na und? Hat der Mann Flugblätter verteilt, Zersetzung der Polizei, das sollte heute mal einer machen. Von wegen ein Jahr! Die einen sind dafür, die anderen sind dagegen, das war schon immer so. Bloß solche wie der Brenten, die sind ja nun an der Tete. Und was machen sie?
    Weiß man ja, was die so machen.
    Aber darüber schreibt natürlich keiner.
    Die schreiben immer bloß, was sie früher für Helden waren. Er legte das Buch weg. Er suchte sich ein paar alte Lappen, ging dann zum Schuppen hinter der Baracke und holte |511| die DKW heraus. Von der Regenfahrt saß der Dreck dick im Rahmen und unterm Kotflügel; er begann zu putzen.
    Kurz vor fünf kamen Heidewitzka und Titte Klammergass, ziemlich aufgemöbelt in ihren neuen Sakkos, knielang, überbreite Schultern, bemalte Schlipse am Hals. »Mann«, sagte Heidewitzka, »am Berg ist Parkfest, da putzt der seinen Schlitten!« Und Titte Klammergass meinte: »Bei meiner Großmutter fing’s auch so an. Das ist das Alter.«
    Peter zog sich um. An der Verwaltungsbaracke erwischten sie einen Schichtbus, der zum Klubhaus fuhr. Von dort fuhren sie mit dem Linienbus weiter. Unterwegs stieg Bergschicker zu, der Radiometrist, dann an der Papierfabrik ein Schwarm gackernder Mädchen und dieser Siggi Hahner mittenmang, und ganz zum Schluß, mein lieber Mann, da kam doch das Radieschen an mit dem Spieß. »Mensch«, sagte Heidewitzka, »ich werd verrückt! Wo habt ihr denn euren Schlitzmatrosen?« Und das Radieschen lachte und sagte: »Die Kleine ist heute bei meiner Mutter. Schließlich muß man ja auch wieder mal bißchen unter Leute kommen, nicht?«
    Der Bus hielt vor dem Haupteingang des Festgeländes. Sie stiegen aus und kauften diese Festplaketten, die als Eintrittskarten galten, ovale Kunststoffplättchen in Prägedruck, unsäglich grün, auf der Rückseite mit einem erbaulichen Spruch bedruckt. Nebenan warteten drei Mädchen auf einen der vier Burschen, die eben das Tor passierten, einer würde zurückkommen mit den Plaketten der anderen und die Mädchen nachholen, kostenlos, dies ein beliebtes Spiel, das viele spielten. Und es schrillte Musik aus Lautsprechern, der Parkberg lag unter Schnüren bunter Glühbirnen, Lampions, Laternen, eine Freilichtbühne hier, dort zwei Tanzflächen, Losungen und Transparente ausgespannt unter Bäumen, irgendwo eine Kinoleinwand, Zelte dazwischen und Karussells, Glücksbuden und Verkaufsstände, die bekannte Atmosphäre wieder. Das Parkfest fand alljährlich statt und zog Tausende an in jedem Herbst, es unterschied sich von den

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