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Rummelplatz

Rummelplatz

Titel: Rummelplatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Bräunig
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ihn so stehen sah, und er sah an sich herab und sah dann sie an, er grinste. »Ach Holzpferd«, sagte er. »Wenn man dich so sieht. Ein alter Scheuerlappen ist nichts dagegen.«
    Es war nun ganz hell und roch nach Erde und nach Gras, oben waren schon wieder die Sterne da.
    »Dann mach’s mal gut«, sagte er. »Ich komme morgen abend vorbei und hupe ein bißchen.«
    Sie nickte. Dann schloß sie die Haustür auf und wartete noch. Und dann sagte sie: »Bei mir ist nämlich keine Seele zu Hause. Da kannst du dich gerade so gut auf die Leine hängen wie anderswo.«
    Da zog er den Zündschlüssel ab, endlich und endgültig.

    Der Montag begann wie alle Montage: mäßig. In der Garage erzählten sie sich gegenseitig ihre Sonntagserlebnisse, der Individualisten-Häuptling fragte: »Wo wart ihr denn so schnell hin auf einmal?« Peter ging nicht darauf ein.
    In der Ecke der Schonkost-Fahrer erzählte einer: »Ich hab das auch gehört, daß sie die Prämie abschaffen wollen. Mein |508| Schwager fährt einen aus der Gebietsleitung, der hat das erzählt. Und die Preise sollen erhöht werden, und die Arbeiterrückfahrkarten werden auch abgeschafft, und Normerhöhung sowieso.«
    »Quatsch«, sagte der Fahrdienst-Seifert. Der Fahrdienst-Seifert war in der Partei, der mußte es wissen. »Möcht bloß wissen, wer diese Scheißhausparolen immer in Umlauf setzt. Merkt ihr denn nicht, was die erreichen wollen? Wenn es nach mir ginge, eingesperrt gehören die!«
    Peter ließ seinen Wagen auftanken und fuhr los. Montags war immer der beste Tag, wenn einer verdienen wollte. Montags waren die Leute aus dem Rhythmus, sie nahmen sich Zeit, erst nach der halben Schicht wurden sie einigermaßen warm. Montags konnte einer in drei Stunden einen Vorsprung herausfahren, den er sonst in der ganzen Schicht nicht schaffte. Und Peter war heute in der richtigen Stimmung.
    Aber solche Gerüchte setzten sich fest. Von Margit wußte er, daß man auch in der Papierfabrik über Normerhöhung sprach, über Verteuerung der Bahntarife, ja, in ihrem Labor, in dem sie als Schichtlaborantin arbeitete, hatte einer sogar erzählt, daß der Entzug der Lebensmittelkarten geplant sei für alle, die mehr als fünfhundert Mark verdienten, und das Brot sollte teurer werden, die Butter, der Zucker. Sicher, es wird viel erzählt, dachte Peter. Aber warum auf einmal überall dieses gleiche Thema? Übertreibung, ja, das wäre möglich. Aber etwas Wahres ist immer dran. Das gibt es ja gar nicht, daß alles erstunken und erlogen ist, ein Körnchen Wahrheit steckt da immer. Und beispielsweise gingen auffallend viele nach dem Westen, seit diese Gerüchte im Umlauf waren und seit sie in den Zeitungen von ›Überprüfung‹ der Normen schrieben und davon, daß jetzt vor allem anderen und ganz schnell die Schwerindustrie aufgebaut werden müsse, und das bedeute halt, daß die Konsumgüter und die Leichtindustrie, na, Sie wissen schon. Früher waren auch viele auf die andere Seite gegangen, schwarz über die grüne Grenze oder via Berlin. |509| Aber jetzt? Jetzt sah das schon nach einer Völkerwanderung aus.
    Übrigens: die Einspritzleitung hatte der Ablöser schon wieder vermurkst. Hatte sie wohl ein bißchen nachziehen wollen und dabei eine niedliche Knickstelle fabriziert, die leckte still vor sich hin. Da hatte er sie halt wieder mal mit drei Metern Isolierband bewickelt. Karbidkopp der!
    Aber der Wagen hielt durch bis zum Schichtwechsel. Bei fünfzehn Fuhren. Bei einem kleinen Abstecher zur Papierfabrik und bei drei unglaublich verquer aufgesetzten Ladungen. Bei einem Kratzer am Bahnübergang und einem Abrutscher an der Kippe. Kein Wunder übrigens, mit dem bißchen Profil auf den Hinterbeinen. Hielt der Wagen durch. Und kam auch gut durch eines dieser seltenen Herbstgewitter, das sich ablud im Talkessel, oben hingen die Wolken über die Bergkuppen herein, und zweimal schlug der Blitz in die große 110 000-Volt-Überlandleitung. Und schlug nicht in den Schornstein der Papierfabrik, obschon der wesentlich höher war. Und der Wagen kam durch den Schlamm, der sich sofort wieder aufwühlte am Zechenplatz und in dem gegen eins der Dreizehn-Strich-Dreizehn steckenblieb und herausgezogen werden mußte. Weiß Gott, für den Anfang war’s ein guter Tag. Es war ein einträglicher Tag, und es gelang alles; wer hätte da wohl ahnen sollen, was sich noch anbahnte, was so in der Luft lag und sich zusammenballte, Peter jedenfalls ahnte nichts.
    Nach der Schicht fuhr er zum Lager und zog sich

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