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Rummelplatz

Rummelplatz

Titel: Rummelplatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Bräunig
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Geht er übern Platz, Dorftrottel, sagt der Schießbudenmann, der ist gut, sagt er, das ist vielleicht ’ne Marke, geht übern Platz, und hinterher johlt das Dorfvolk, Tarzan, singen, brüllt das Dorfvolk, singen, Lenzjohann, ein Lied, los. Geht nun im Kreise, zackig die Arme einschlagend, vor der Kaserne singt Lenzjohann, vor dem großen Tor, kommen sie von überall her, auch das Halbschwergewicht, reihen sich ein, singen, Lenzjohann, der ist gut, sage ich Ihnen, wir lagen vor Madagaskar, Kinderstimme, hatten die Pest an Bord, singt Lenzjohann, schlägt sich auf die Knie vor Vergnügen, das Halbschwergewicht, übrigens kennen Sie den: Gehn zwei Stecknadeln über die Straße, will die eine ’nen Witz erzählen, sagt die andere: Pst, hinter uns kommt ’ne Sicherheitsnadel, kennen wir, ja. Der ist wohl harmlos, stellen wir uns vor. Vergnügt der sich da, Dorftrottel, mindestens drei von der Sorte in jedem Dorf hier, Inzuchtgegend. Aber wie sie nun alle glänzen vor Beglückung, Deutschlands Ernährer, Deutschlands bodenständiges Landvolk, ein Lied, Lenzjohann, Spaniens Himmel, Lenzjohann, schneidig ist die Infanterie, Paradeschritt, über unsern Schützengräben aus, Lenzjohann, also ist der nicht gut, also eine Marke ist das, also der ist vielleicht ’ne Wucht. Und die Heimat ist weit, freuen sich die Eingeborenen, wir sind bereit, nun schmettert das junge Volk, Frei-heit, Lenzjohann, und am glücklichsten ist der Schießbudenmann, lächelt, grinst, heiter über alle Backen, heia-Safari, schreit er, geerade aus, und es gehorcht Lenzjohann, und es zieht ab die Kavalkade, ab Richtung Wirtshausgarten, zieht zur Tränke die Herde, so zieht sie hin. Aber immer noch der hier. Legt nun die Flinte her, rosige Bäckchen, der ist nicht mit Geld zu bezahlen, schnauft er, japst er nach Luft, wird er das Lachen |506| nicht los, befriedigtes Theaterpublikum, glückliches Schwein, da nimmt Margit die Flinte hoch, schwenkt langsam den Lauf, mitten zum Schweinebauch, das quietscht vor Vergnügen, grapscht nach dem Flintenlauf, aber auf einmal behende, springt’s beiseite, starrt ungläubig, und die verbliebenen Eingeborenen lachen kollernd, so ein Mädchen so was, so ein Mädchen.
    Der Schuß steckte in der Bretterwand gegenüber. Der Schießbudenmann starrte noch immer verwundert. Titte Klammergass gluckerte. Es begriff aber wohl keiner.
    Da nahm Peter die Flinte, verschoß die übrigen neun Schuß auf ein sympathisches Holzpferd, das an Tonschnüren hing. Das schenkte er ihr.
    »Altes Holzpferd«, sagte er.
    »Ja?« sagte sie.
    »Wir könnten’s noch woanders versuchen.«
    »Nein«, sagte sie. »Es reicht so. Aber wir waren ganz gut, glaube ich.«
    So fuhren sie weiter. Ohne Titte Klammergass, ohne den Individualisten-Häuptling, ohne Auf-Wiedersehen.
    Und fuhren ihre Straße zurück, bergan meist, kurze Abfahrten, lange Steigungen. Peter dachte: Jede andere hätte irgendwas gemacht mit Händchen halten oder hätte sich vielleicht geekelt, wenn sie nicht gar mitgemacht hätte wie die anderen, aber sie hat eine Heidenwut gekriegt, und daß wir sie beide gekriegt haben in genau dem gleichen Moment und genau in dem richtigen, das ist schon was. Und mußte auf den zweiten Gang herunter und blendete den Scheinwerfer auf und fragte: »Wird dir’s zu kühl?« und sie sagte: »Nein, überhaupt nicht.« Und wie er nun so fuhr, hatte er auf einmal ein sehr gutes Gefühl. Irgend etwas war ganz anders geworden. Ihm war, als läge sehr viel hinter ihm und als sei er aus dem Ärgsten heraus, es war wieder alles offen.
    Fünf Kilometer vor Bermsthal kam noch ein Wind auf. Bei vier Kilometern kamen ein paar dicke Tropfen, und gleich |507| darauf waren sie mittendrin. Die Maschine schlingerte, sie kamen kaum an gegen den Wolkenbruch, sie troffen vor Nässe, und der Regen kämmte heran und schüttete herab, der Wind war eiskalt und schneidend. Das dauerte vielleicht drei oder vier Minuten. Und hörte auf, so plötzlich, wie es gekommen war.
    Als sie ins Dorf einfuhren, waren sie naß bis auf die Haut. Er fuhr langsam die Dorfstraße hinauf bis zur Abzweigung, vor ihrer Haustür drosselte er den Motor. Sie stieg ab und schüttelte sich das Wasser aus dem Haar. Da stieg auch er ab, drehte den Zündschlüssel, zog dann seine Jacke aus und wrang das Wasser heraus, aber das half nicht viel. Auch das Hemd war durch, und die Hose klatschte an den Schenkeln, die Schuhe quietschten.
    »Gottverdammt und eins«, sagte er. Sie lachte auf einmal, wie sie

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