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Rummelplatz

Rummelplatz

Titel: Rummelplatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Bräunig
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sprang drei Meter hinab drüben. Peter wollte nach, kam nicht durch, etwas, das ihn festhielt, schlug um sich. Zwei Meter neben ihm versuchte Bergschicker über die Mauer zu kommen, sehen konnte er nichts mehr, jemand fetzte ihm das Revers vom Jackett. Peter hatte auf einmal nur noch Polizisten vor sich. Bekam einen Stoß in den Rücken. Stemmte sich rückwärts, wurde vorwärts gestoßen, sah die geöffneten Handschellen, schlug zu, taumelte, kam noch einmal hoch, der rechte Arm war taub, taumelte wieder. Den Schlag eines Gummiknüppels spürt man hauptsächlich in den Kniekehlen. Die Handschellen schnappten.
    Von zwei Mann untergefaßt, wurde er über den Platz geschleppt. Er wehrte sich noch immer, aber es war sinnlos. Der Arm schmerzte, die Knie knickten ein. Die Polizisten schoben ihn durch die Tür des Gefangenenwagens.
    Gleich danach brachten sie Bergschicker. Sein Gesicht war aufgeschlagen, der Ärmel aus dem Jackett gerissen, die Revers |517| hingen herab. Aber es steckte dort noch immer sein Parteiabzeichen.
    Der Lärm draußen war nun abgeschnitten vom Lärm drinnen, gegen die Wände hämmerten sie, einer schluchzte.
    »Es muß sich doch aufklären«, sagte Bergschicker tonlos. Eine Farce, die ungehört unterging. Es muß sich doch aufklären, wir haben das doch nicht gewollt, wir haben doch nichts damit zu tun, es muß sich doch muß sich doch …
    Das Schuldig war jedem anzusehen. Blut, Schweiß, zerfetzte Hemden, verzerrte und zerschlagene Gesichter. Trotz und Angst und Haß. Die Schuld der Beteiligung war eindeutig eingezeichnet, allen, ohne Unterschied, allen.
    Der Wagen fuhr an, ohne daß jemand das Aufheulen des Motors gehört hätte. Peter preßte sein Gesicht an den Sehschlitz. Er sah, daß der Kampf draußen beendet war, die Polizisten beherrschten das Feld.

|518| XVIII. Kapitel
    Zwei Tage darauf war in der Lokalpresse zu lesen, daß eine Bande gedungener Rowdys am Montag abend auf dem Parkfest einen schweren Zwischenfall provoziert habe. »Mit Abscheu«, hieß es in dem Artikel, »verurteilen die Werktätigen unseres Kreises seit langem die verbrecherischen Machenschaften dieser kriminellen Elemente, vor denen kein friedfertiger Einwohner sicher war. Mehrfach kam es zu Ausschreitungen und Schlägereien, wobei die Rowdys es besonders auf besonnene Bürger abgesehen hatten, die sich ihrem Treiben entgegenstellten. Die Ausschreitungen häuften sich vor allem in Tanzlokalen und öffentlichen Anlagen.«
    Der Artikelschreiber, ein gewisser M., wies darauf hin, daß die Aufrührer bei den letzten Ausschreitungen während des Parkfestes, nach dem Vorbild des westdeutschen faschistischen BDJ, mit Messern und Schlagringen bewaffnet gewesen seien. Aufgeputscht von den Parolen solcher berüchtigter Hetzsender wie des RIAS, haben sie sich den Anweisungen der Volkspolizisten und der freiwilligen Helfer widersetzt, diese mit Schmährufen »überschüttet« und fortgesetzt friedliche Festbesucher belästigt. Als die Volkspolizei daraufhin einschritt, seien die Rowdys mit Schlagringen und Hiebwaffen gegen die Angehörigen der VP vorgegangen und hätten mehrere von ihnen so schwer verletzt, daß sie in ein Krankenhaus eingeliefert werden mußten. Dem beherzten Vorgehen der Volkspolizei sei es aber zu verdanken, daß die Rädelsführer und übelsten Provokateure dingfest gemacht und Ruhe und Ordnung wiederhergestellt werden konnten. Die Verbrecher, so schloß der Artikelschreiber, sähen nun ihrer gerechten Bestrafung entgegen, wobei sie nicht auf Milde rechnen dürften, denn solche terroristischen Elemente könnten |519| nur abgeschreckt werden durch die ganze Strenge der demokratischen Gesetzlichkeit.
    Die Ereignisse auf dem Parkberg waren inzwischen überall zum Tagesgespräch geworden. Als sie den Artikel gelesen hatten, sagten viele: Gott sei Dank, daß denen einmal ein Denkzettel verpaßt wird, das war schon lange fällig. Manche, die dabeigewesen waren, sagten, der Artikel sei übertrieben. Einige meinten, es sei alles ganz anders gewesen. Es gab auch welche, die sprachen von ›Verdrehung der Tatsachen‹.
    Hermann Fischer las den Artikel im Schichtbus. Von Spieß wußte er, daß Peter Loose und der Radiometrist Bergschicker unter den Verhafteten waren. Peter Loose hatte er aus den Augen verloren, seit er zu den Fahrern übergewechselt war; mit ihm konnte es immerhin seine Richtigkeit haben, ihm war manches zuzutrauen, wenngleich Hermann Fischer gehofft hatte, daß der Bursche sich endgültig gefangen

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