Rund wie die Erde
sämtlich schneller Hilfe. Nicht, daà das was mit Alkohol zu tun hätte!
Die wunderbare Schauspielerin Lina Carstens saà jeden Morgen mit dem lebensverlängernden und -verschönernden Gläschen in der Maske und sagte jedem, der ihr Geheimnis langer und fröhlicher Schaffenskraft kennenlernen wollte: Trockenbürsten, meine Liebe! Trockenbürsten! Und ab und zu ein Gläschen Champagner. Auch sie bekam in der engen Schminkzelle viel Besuch, der sich gern belehren lieÃ. Kann es nicht auch Sekt sein? fragte ein senderweit bekanntes Sparbrötchen. Ach, sagte die Carstens, schon. Aber es ist was anderes. Gehört eher ins Studentenheim.
Und mir fiel eine wunderschöne Szene wieder ein, als in so einem Studentenheim einer süddeutschen Stadt meine Freundin fassungslos gickernd in mein Zimmer fiel und sagte, stell dir vor, komm ich zu dem ins Zimmer, und da hat er Tschaikowskis Klavierkonzert aufgelegt und eine Flasche roten Sekt im Waschbecken! So was passiert eben mit Sekt. Gar nichts dagegen zu sagen, aber eben: ganz was anderes.
Champagner ist ein familiäres Getränk. Man will Erfolge teilen und mitteilen. Auch die medizinische Seite des Getränks will familiäre Ãffentlichkeit. Mein GroÃvater war Diabetiker und ein Snob. Er besaà einen kleinen, silbernen Champagnerquirl, eine Art Miniaturbesen, kalt durfte das Getränk auch nicht sein. Aber es muÃte echt sein. Seine Lebensregel lautete: Ãbernimm niemals eine Bürgschaft. Unterschreibe niemals einen Wechsel. Trink nichts ähnliches, nur Champagner. Die Regeln wurden wohl der Reihenfolge nach mehr
fach durchbrochen, und für viele Jahre blieb das königliche Getränk eine ferne Idee.
Manchmal wurde eine Flasche mitgebracht. Leider taten die Mitbringer mit den Worten: Sie ist schon kalt! ihre Absicht kund, das Geschenk mit den Beschenkten zu teilen, was die wiederholte Bemerkung meiner Mutter, in so einer Flasche sei eigentlich nichts drin, wieder einmal bestätigte. Mein Onkel Hans war beleidigt, wenn man ihm eine Flöte vorsetzte. In der brachte er seine imponierende Nase nicht unter, für ihn waren die Schalen bestimmt.
Champagner ist ein erwachsenes Getränk und ein Begleiter für jene, die dem Alleinsein gute Seiten abgewinnen. Was für den König Alkohol allgemein gilt, daà einsames Trinken von Ãbel sei, ist beim Champagner manchmal â oder immer â auÃer Kraft gesetzt. Den medizinischen Segensreichtum nannten wir schon, der psychologische ist nicht zu unterschätzen. Man trinkt ihn ja nicht in Schlafanzug und Puschen, man trinkt ihn nicht beim Fernsehen oder um sich die Schlaftablette zu sparen, man sollte ihn nicht unglücklich trinken, höchstens als Balsam für vernarbte Wunden. Die Es-war-Gedanken macht er angenehmer, die Es-hätte-sein-können-Gedanken bekommen Farbe und Witz, und die Es-war-schön-Gedanken beginnen zu glänzen. Nach einer halben Flasche sind dann die Das-war-absolut-noch-nicht-alles-Gedanken munter geworden, und derer wollte man ja habhaft werden.
In den Rest steckt man einen langen Stahllöffel, bevor man ihn in den Kühlschrank stellt, und am nächsten Tag kann man, wenn man will, das Rezept jener hamburgischen Köchin nachkochen: Sauerkraut macht man mit Champagner. Man kann auch einen Sauternes nehmen. Ganz arme Leute nehmen Mosel.
Wenn man das nicht ausprobieren will, weil man kein Sauerkraut mag â oder weil sich nun doch Besuch angesagt hat, zu dem der Sauerkrautgeruch nicht recht passen würde â, trinken kann man ihn noch sehr gut und dann noch eine aufmachen, womit das Leben wieder von vorn beginnt.
In meiner kleinen Champagnergeschichte habe ich bisher kein Sterbenswort über seinen Geschmack gesagt, und der ist, könnte man meinen, das Wichtigste. Die Wahrheit: Ich wage es nicht. Ich weià gar nicht, wie er schmeckt. Er jagt einem ein paar Kräusel den Rücken hinunter, und der Mund zieht sich ein biÃchen zusammen, dann stoÃen die Leute verschiedene Laute aus, die schriftlich nur unzulänglich wiedergegeben werden können, etwa: Huhhhaa oder Uchchch prrrr mmmh. Eines Jandl wäre es würdig, das ChampagnergenuÃliedchen!
Wenn man Glück hat, ist keiner von den Experten anwesend, keiner, der einen mit der Beschreibung seiner zahlreichen Kellereibesuche langweilt. Ganz im Jetzt und Hier, ganz voraussetzungslos wollen wir ihn genieÃen, irgendwas zu
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