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Rund wie die Erde

Rund wie die Erde

Titel: Rund wie die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Demski
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feiern hat man sich schon vorher überlegt, oder einfach, daß man auf der Welt ist. Oder den Lewis Carrollschen Nichtgeburtstag, ein sehr empfehlenswertes Fest, das man an dreihundertvierundsechzig Tagen im Jahr begehen kann, in Schaltjahren noch einmal mehr.
    Wir haben zu wenig an die Walzerseligkeit gedacht, an die fliegenden Röcke und die lackierten Herren und an die ganze wunderbare alte Zeit, jenes mit Tanzkarten und Kriegserklärungen angezündete Feuerwerk? Ja, es ist schade. Ersatzveranstaltungen können jederzeit gebucht werden, mit Hotelarrangement und eingebautem Musical. Gegen Aufpreis darf man sogar mit Champagnergläsern schmeißen. Die Rekon
struktionsindustrie ist auf einem hohen Stand. Der Artikel scheint gut zu gehen. Und er, der Champagner, muß immer mit, wie die Straußwalzer und die Lachscanapés. Der Kaviar, sein treuester Begleiter, macht sich rar. Aber der Champagner und die Lachse, jene gut züchtbaren Wasserferkel, sind aus nachwachsenden Rohstoffen. Darüber sollte man nicht meckern!
    Noch immer muß die Flasche die Menschenhand wieder und wieder spüren, noch immer wird es irgendwie festlich, noch immer hält der Champagner als einziges Getränk der Welt jenes geheimnisvolle Gleichgewicht zwischen staatstragend und anarchistisch. Unvergeßlich jenes Grüppchen Demonstranten gegen die SS  20, die im Gewühl des Bonner Hofgartens eine köstliche Flasche in Plastikbecher einschenkten und von den Birkenstocks angegiftet wurden, weil sie »Champagner für alle!« riefen (nicht Schampus!). Bakunin liebte ihn und der Zar, er besiegelt den Aufstieg der Parvenus und den Abstieg der Aristokraten, und wenn's andersrum geht, ist er auch dabei. Und an Silvester bekommt das Kind ein Fingerhütchen voll und denkt, so schmeckt es, wenn man erwachsen wird.
    Schwarz oder weiß, grün oder rot –
    Puder, Körnchen oder auch Schrot
    Pfeffer, der Treffer, schärft alles Fade,
    Sogar Schokolade!

Das große und das kleine Fressen
    Vielleicht waren die kalten Buffets der Wirtschaftswunderzeit, von denen mir meine Eltern erzählten, die Fortsetzung des Krieges mit friedlichen Mitteln. Angriff, Nahkampf, Stellungsschlacht, eisernes Beharren auf gewonnenem Terrain – alles wie gehabt. Diesmal ging es um Berge von Eßbarem, die endlich wieder verfügbar waren und um die erbittert gefochten wurde. Die Kombattanten trugen schwarze Anzüge und Cocktailkleider und trieben Schneisen der Verwüstung durch Wurstplatten und Salatgebirge. Meine Eltern staunten. Sie waren schüchtern und nicht kampferprobt, deswegen mußten sie nach solchen kulinarischen Feldzügen tagelang sehnsüchtig darüber reden, was es gegeben hatte und was ihnen alles entgangen war. Die wiedererstehende gesellschaftliche Elite wurde von Mayonnaise zusammengehalten. Mayonnaise war der Mörtel der fünfziger Jahre.
    Buffets blieben ziemlich lang in Mode, ich erinnere mich an eine Buchvorstellung in den seligen Siebzigern. Sie fand auf einem Schiff in Hamburg statt, und das Buffet erstreckte sich über die ganze Länge des luxuriösen Kahns. Das Mittelstück: ein festlich herausgeputztes Schweinchen, das die Beine in die Luft hielt. Es war eng auf Deck, Dichter, Verleger, Kritiker, die Elite der Kultur weiblichen und männlichen Geschlechts mußte sich drängeln. Ich sah nur Rücken. Als die Menge sich lichtete, fiel mein Blick auf ein Ferkelgerippe. Im Maul steckte noch die Zitrone. Die Ohren waren weg. Das Buch, das auf diese Weise gefeiert wurde, hieß übrigens Love story . Es war jene gefühlvolle Geschich
te von Eric Segal, die dann im Kino Ströme von Tränen fließen ließ.
    Etwa zur selben Zeit lernte ich die sozialistische Variante des Buffets kennen, auf einer Pressereise in Bukarest. Die Tische brachen schier zusammen unter der Last der Speisen. Das Zentrum war in diesem Fall ein mit Kaviar gefüllter Schwan aus Eis, dem langsam Tränen herunterrannen. Wahrscheinlich trauerte er um verlorene Ideale. Der Bukarester Bevölkerung war Essen dieser Art noch nie unter die Augen, geschweige denn auf den Tisch gekommen.
    Die Teller damals waren groß, und man hatte die Fähigkeit entwickelt, sie vertikal zu beladen, aber so, daß man die Fülle der Speisen heil zum Platz bugsieren konnte. Das klappte nicht immer, aber das machte nichts, es war ja genug da. Wie bei einer Schichttorte wurden verschiedene

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