Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
Vom Netzwerk:
nun immer stärker wurde. Dann, als seine Tränen so reichlich wie der Regen flossen, kletterte er hinters Steuer und fuhr davon, während das Feuer das Haus verzehrte … sein Heim.

Erster Teil:
ENTDECKUNG
     
1.
     
    Es schien nicht zuviel verlangt: alles, was wir wollten, war ein Ort, den wir unser eigen nennen konnten. Einen Ort, den wir für uns beanspruchen konnten in unserem letzten Sommer der Unschuld. Denn war der Sommer erst vorbei, wie sehr wir uns auch dagegen sträubten, würde nichts mehr sein wie vorher. Ich spürte das so sicher, wie man einen sich anbahnenden Sommersturm spürt.
    Es war nach der Abschlußfeier im frühen Juni. Vor fünfzehn Minuten hatten Phil, Rick und ich unsere Roben abgelegt, in deren wogenden, grauen Ärmeln wir wie riesige, kranke Vögel ausgesehen hatten, und wir machten uns mit einem Kasten Bier auf den Weg. Einige Feten waren über die Stadt verstreut, mit Klassenkameraden, die bereit waren, den Rest ihres Lebens mit einem Kater zu beginnen, der sie an den Anlaß erinnern würde.
    Zu denen würden wir später stoßen. Doch zuerst schien es angemessen, unter uns zu sein. Vielleicht wollten wir uns darüber Gedanken machen, wohin uns die nächsten fünfzig oder sechzig Jahre verschlagen würden.
    »Wohin?« fragte Phil. Er war unser Fahrer, unser ewiger Chauffeur, dessen Limousine ein 1970er Duster war. Auch wenn die Lackierung widerlich grün mit blaugrauen Sprenkeln war und zerfetztes Schaumgummi wie schlaffe Finger aus den Nähten der Sitze quoll, auch wenn es nach einem Tag in der Sommersonne im Innern wie in einer alten Hamburgerschachtel roch – wir liebten diesen Wagen. Er war unser Heiligtum, unser magisches Gefährt, das uns von der wirklichen Welt in eine unserer eigenen Schöpfungen bringen konnte, wo wir etwas mehr Kontrolle über die Dinge hatten und einen besseren Begriff davon, wer oder was wir waren.
    »Gibt es einen besonderen Ort, wo ihr hinwollt?«
    »Fahr einfach drauflos«, sagte ich vom Beifahrersitz aus. »Ich werde schon was für uns finden.«
    »Chris Anderson, der Pistensucher«, sagte Rick auf dem Rücksitz; er war in dieser Nacht der Wächter des Biers. »Weißt du noch, was passiert ist, als du das letzten Winter machen wolltest? Du hast uns in eine Schneebank gefahren.«
    »Vertrau mir.« Ich grinste ihn an und zwinkerte. »Ich habe heute eine Glückssträhne.«
    Rick verdrehte die Augen in gespielter Verzweiflung und wandte sich wieder seiner Gitarre, einer zwölfsaitigen Martin, zu. Er spielte mehr als nur gut darauf; ich hielt ihn für großartig, und von daher rührte auch sein Spitzname: Twang. Er begleitete ein Lied, das aus den Rücklautsprechern kam, doch ich konnte ihn kaum hören. Phil mochte seine Musik LAUT. Jedoch waren diese Boxen äußerst praktisch, wenn wir irgendeinen Clown mitnehmen mußten, von dem wir nicht viel hielten. Wir verbannten ihn einfach auf den Rücksitz und betäubten ihn mit Van Haien.
    Phil lachte, als ich eine geschlossene Bierdose vor mich hielt wie eine Wünschelrute. Wir fuhren auf der Route 37 und waren schon fast sechs Meilen nördlich der Stadt. Beinahe an der Zeit, den ausgetretenen Pfad zu verlassen.
    »Hier?« fragte Phil, als eine Abzweigung zur Landstraße vor uns erschien, bezeichnet von einem grünen, reflektierenden Schild.
    Das Bier hatte nicht ausgeschlagen. »Nein, noch nicht.«
    Wir fuhren ungefähr eine Meile weiter, bis ich mit der Bierdose Phils Arm anrempelte.
    »Es fühlt etwas«, sagte ich. »Langsam, Kumpel, langsam …«
    Eine weitere Abzweigung leuchtete im Licht der Scheinwerfer auf, und als wir näher kamen, sahen wir, daß auf dem Schild ›1250N‹ stand. Ich konnte mich nicht daran erinnern, auf dieser Straße schon einmal gefahren zu sein, doch für gewöhnlich reisten wir in Richtung Osten oder Westen, und nicht nach Norden. Wie traurig. Die Macht der Gewohnheit mit siebzehn. Los geht’s.
    »Bieg’ links ab! Links!« schrie ich. »Das ist es! Nach Westen, junger Mann!«
    Phil bog scharf ab, ließ Kieselsteine aufspritzen und die Reifen quietschen. Rick rollte von einer Seite auf die andere, wobei seine Gitarre eine schreiende Dissonanz von sich gab. Phil hatte den Wagen kaum wieder im Griff, da tauchte an der linken Straßenseite ein verwittertes Schild auf. ›Pleasant Hills‹, stand darauf in Erdfarben, ›Bauland erhältlich. Drei Seen. Tennisplätze in Planung.‹ Am Schluß standen die Rufnummern der Makler, die man bei Interesse kontaktieren konnte. Wenn das Schild

Weitere Kostenlose Bücher