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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Lancelot. »Und wo wir schon einmal dabei sind: Auch ihr habt mehr verloren, als mit Geld
aufzuwiegen ist. Ihr solltet eurer Wege gehen, bevor noch
mehr passiert. Von hier aus finden Lancelot und ich den
Weg nach Tintagel auch allein.«
»Unsere Aufgabe ist noch nicht beendet, Mylady«, antwortete Sean. Seltsam – Lancelot war nicht ganz sicher,
aber doch ziemlich, dass das Wort Mylady aus seinem
Mund plötzlich ganz anders klang. Auch wenn er sich
hörbar bemühte, es spöttisch klingen zu lassen, so gelang
es ihm nicht ganz. Und selbst die Verachtung und der
Zorn in seinem Blick waren eigentlich nur noch Gewohnheit und Absicht, nicht mehr echte Gefühle.
»Ihr könnt jederzeit nach Tintagel kommen«, sagte
Gwinneth kühl. »Ihr werdet die zweite Hälfte eures ausstehenden Lohnes dort von mir erhalten – falls wir die
Burg lebend erreichen.«
Nicht einmal diese gezielte Bosheit konnte Sean mehr
aus der Ruhe bringen. Er schüttelte nur noch einmal den
Kopf. »Es geht nicht um Geld, Mylady. Wenn wir eine
Aufgabe übernehmen, so bringen wir sie zu Ende. Außerdem …« Er maß Lancelot mit einem flüchtigen, aber sehr
beredten Blick. »… habe ich das bestimmte Gefühl, dass
wir in Eurer Nähe im Moment sicherer sind als allein.«
»Wie du willst«, entschied Gwinneth, »aber dann werdet
ihr tun, was ich sage. Meinethalben reiten wir nachts und
halten uns tagsüber versteckt, wenn du meinst, dass das
sicherer ist; von solcherlei Dingen verstehe ich nichts und
will es auch nicht. Doch wir werden alle Dörfer und Ansiedlungen meiden und wir werden mit keinem Menschen
sprechen, bevor Tintagel nicht in Sicht ist.«
Sean sah sie noch einen Moment lang nachdenklich an,
dann drehte er sich ächzend im Sattel um und blickte in
den Himmel hinauf. Der Feuerschein hatte sich noch ausgebreitet, aber das rote Toben schien die Dunkelheit, die
Mond und Sterne verschlungen hatte, eher noch zu betonen. »Ganz wie Ihr wünscht, Mylady. Nun dann sollten
wir weiterreiten. Die Nacht ist schon halb vorüber und wir
haben noch einen langen Weg vor uns.«
    »Sie sind dort unten.« Patrick fuhr sich mit beiden Händen
durch das Gesicht, wodurch sein Antlitz von den weiß
verkrusteten Zügen eines mythischen Fabelwesens wieder
zu etwas zumindest Menschenähnlichem wurde – wenn
auch zu einem Menschen, der sichtlich am Ende seiner
Kraft angelangt war. Sein Bart und das weit über die
Schulter fallende, lockige Haar waren gefroren, und es
hätte Lancelot in diesem Moment nicht einmal gewundert,
hätte er auch zu Eis erstarrte Kugeln dort erblickt, wo eigentlich seine Augen sein sollten.
»Wie viele?«, fragte Sean.

Patrick atmete zwei- oder dreimal tief hintereinander ein
und aus, bevor er antwortete. Nicht nur sein Gesicht, auch
seine Kleidung war über und über mit Schnee und Eis verkrustet. Lancelot vermutete, dass der junge Ire den Großteil des Weges zum Hügelkamm hinauf und wieder herab
auf allen vieren kriechend zurückgelegt hatte. »Ich konnte
es nicht genau erkennen«, sagte er, fügte aber nach einem
Moment mit einem besorgten Blick in Richtung seines
Bruders hinzu: »Es müssen sehr viele sein. Drei, vier Dutzend, vielleicht mehr.« Lancelot war nicht einmal wirklich
erschrocken. Patricks Worte ließen das ungute Gefühl, das
ihn gequält hatte, zur Gewissheit werden, aber er war nicht
überrascht. Sie hatten das restliche Stück des Weges zur
Atlantikküste Cornwalls ausschließlich nachts und abseits
der bekannten Straßen und Wegstrecken zurückgelegt und
waren in dieser Zeit – ganz wie sie gehofft hatten – weder
auf Menschen noch auf deren Spuren gestoßen.
    Jetzt lag die Küste so nah vor ihnen, dass man das Donnern der Brandung hätte hören können, wäre das Heulen
des eisigen Nachtwindes nicht gewesen und würde sie
nicht nur noch eine einzige Hügelkette vom Anblick der
See und der stolzen Burg an ihrem Ufer trennen.
    Vielleicht war es gerade das, was ihn beunruhigt hatte,
mit jedem Schritt, den sie sich Tintagel näherten, ein bisschen mehr: Es war zu leicht gewesen. Nach all der Mühe,
die sich Artus und ganz offensichtlich auch seine Schwester gegeben hatten, ihrer habhaft zu werden, war es geradezu unvorstellbar, dass sie Tintagel nun unbehelligt erreichen sollten. Zumindest nach den letzten beiden Begegnungen mit ihren Häschern musste Morgaine Le Faye kein
Genie sein, um sich auszurechnen, wohin sie wollten. Es
gab in der Richtung, in die sie sich bewegten,

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