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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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erloschener
Lagerfeuer glomm, und eine aus hastig in den Boden gerammten und mit Seilen miteinander verbundenen Speeren
improvisierte Koppel, in der sich mindestens zwanzig
Pferde aufhielten, vermutlich mehr.
Patricks Schätzung, was die Anzahl der Barbarenkrieger
anging, war vermutlich zu hoch gegriffen gewesen; aber
dort unten mussten sich dennoch zwischen zwanzig und
dreißig Krieger aufhalten. Viel zu viele für zwei halb erfrorene Männer, die längst am Ende ihrer Kräfte angelangt
waren, und einen Küchenjungen, der sich einbildete unbesiegbar zu sein, nur weil er eine Zauberrüstung trug. Und
erst recht zu viele für eine Prinzessin aus einer anderen
Welt, die zu zerbrechlich für diese Wirklichkeit war und
zu kostbar, als dass man ihr Leben aufs Spiel setzen konnte, nur um ein Königreich zu retten.
Lancelot stand lange so da und starrte in die Nacht hinein. Der Wind zerrte an ihm und die Kälte ließ sein Gesicht erstarren und seine schon tausendmal gesprungenen
Lippen erneut aufreißen, sodass sie zu bluten begannen. Er
spürte es nicht, sowenig wie er das Heulen des Sturmes
wahrnahm und die anderen, noch unheimlicheren Laute,
die die Nacht herantrug. Einmal glaubte er Schritte zu hören, vielleicht gar Schatten zu sehen – die Wachen, von
denen Patrick gesprochen hatte –, aber er reagierte auch
darauf nicht, sondern blieb hoch aufgerichtet und reglos
stehen. Er war nicht hierher gekommen, weil er Patricks
Worten keinen Glauben geschenkt hätte.
Er war hier, um sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass es vorbei war. Es gab nur diesen einen einzigen Weg nach Tintagel, zumindest in dieser Nacht und
somit in der Zeit, die Gwinneth noch blieb. In das noch
immer anhaltende Gefühl von Endgültigkeit und Verbitterung, das von Lancelot Besitz ergriffen hatte, mischte sich
für einen Moment eine fast hysterische Heiterkeit. Das
Schicksal hatte sich einen wirklich bösen Scherz mit ihnen
erlaubt. Sie hatten das Unmögliche geschafft und waren
Artus’ Häschern entkommen und sie hatten das noch viel
Unmöglichere möglich gemacht und hatten sogar Morgaines Barbarenkriegern und ihrer finsteren Magie getrotzt –
und nun würden sie scheitern aus keinem dramatischeren
Grund als dem, dass es nur einen einzigen Weg gab. Hatte
er wirklich geglaubt, es wäre so leicht?
Lancelot stand lange reglos inmitten des immer heftiger
werdenden Schneesturmes da und blickte auf das kleine
Zeltlager hinab, dessen schwarze Schatten und trübrote
Glutfunken mehr und mehr hinter den tobenden Schneeschleiern zu verschwinden begannen, bevor er sich umdrehte und langsam auf seiner eigenen und Patricks Spur
zurückzugehen begann.
Hätte er noch einen Beweis gebraucht, wie erschöpft und
dem Zusammenbruch nahe Sean und sein Bruder waren,
so wäre es die Reaktion der beiden Iren auf seine Rückkehr gewesen. Patrick saß mit Rücken und Hinterkopf an
einen Baum gelehnt und mit geschlossenen Augen da und
schien zu schlafen, und auch Sean bemerkte ihn erst, als
Lancelot sich nur noch zwei oder drei Schritte vor ihm
befand. Wären an Lancelots Stelle piktische Krieger gewesen, dann wäre es in diesem Moment bereits um die
beiden Brüder geschehen gewesen, und zumindest das
schien Sean vollkommen klar zu sein, denn obwohl er
Lancelot erkannte, sprang er erschrocken hoch und griff
nach seinem Schwert. Erst als er die Waffe schon halb aus
der Scheide gezogen hatte, hielt er in der Bewegung inne
und sah für einen Moment regelrecht verloren aus.
»Ich bin es nur.« Lancelot schüttelte den Kopf. »Es besteht kein Grund zur Sorge. Sie sind dort drüben, auf der
anderen Seite des Hügels, genau wie Patrick gesagt hat.
Aber bei diesem Sturm werden sie sich nicht hierher wagen.«
Es gab keinen Grund für diese Annahme, außer vielleicht dem, Sean und möglicherweise sich selbst zu beruhigen, und auch das musste der Ire ganz genau wissen. Er
widersprach jedoch nicht, sondern sah Lancelot nur weiter
abwartend an. Lancelot seinerseits hielt dem Blick des
hochgewachsenen Iren noch eine Weile wortlos stand,
dann drehte er sich um und ging zu dem Gebüsch hinüber,
in dessen Windschatten Gwinneth Schutz gesucht hatte.
Sie schlief; jedenfalls nahm Lancelot das im ersten Moment an. Gwinneth hatte sich in einen schweren Fellmantel gehüllt, der noch vor einigen Tagen einem von Seans
Brüdern gehört hatte, und jemand – vermutlich Sean –
hatte zusätzlich einen zweiten Mantel wie eine Decke über

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